Beschlussvorschlag: Der Werksausschuss nimmt den von der
Werkleitung dargestellten Sachverhalt zum Übernahmerisiko bei privaten
Sammelleitungen zur Kenntnis. Er beschließt, die vorgetragene Verfahrensweise
als Richtlinie, an die der Städtische Abwasserbetrieb Wermelskirchen bei
Entscheidungen über das Zulassen eines gemeinsamen Hausanschlusses gebunden
ist. Sachverhalt: In der Vergangenheit wurden auf
Antrag von Eigentümern auch private Abwasserkanäle zugelassen, an welche
mehrere Grundstücke angeschlossen wurden. Dies geschah z.B. dann, wenn aufgrund
der Topographie mehrere Grundstücke nur über Pumpen an den städtischen Kanal in
der Straße angeschlossen werden konnten. Aufgrund der derzeitigen Rechtslage
musste der SAW nun als Abwasserbeseitigungspflichtiger einen solchen, vor ca.
40 Jahren privat gebauten, Regenwasserkanal in seine Unterhaltung übernehmen,
weil über diesen Kanal das Regenwasser von mehreren Grundstücken entwässert
wurde. Dieser Fall veranlasst die Werkleitung den Werksausschuss
über die Rechtslage und deren Konsequenzen zu informieren, sowie die zukünftige
Verfahrensweise bei neuen Anträgen auf gemeinsam genutzte Grundstücksanschlüsse
an die öffentliche Kanalisation abzustimmen. Bisherige VerfahrensweiseBis Anfang der 90`er Jahre wurde mit
der Thematik von mehrfach genutzten privaten Grundstücksanschlüssen und deren
Ausführung sehr unbürokratisch umgegangen. Hauptaugenmerk wurde darauf gelegt,
dass überhaupt ein Anschluss an die öffentliche Kanalisation erfolgt. Die
technische Ausführung sowie der Leitungsverlauf auf den privaten Grundstücken
oblag weitestgehend dem Eigentümer. Im Extremfall entstanden hierdurch
“kleine private Abwassernetze”, worüber die Abwasserentsorgung mehrerer
Grundstücke erfolgt. In den letzten Jahren erfolgte eine
stärkere Kontrolle und eine intensivere Abstimmung mit den Eigentümern bei der
technischen Auslegung, der Lage und der Anzahl der Anschlussnehmer. Die bisherige Verfahrensweise kam
dem Eigentümer insofern entgegen, als dass der meistens auf wirtschaftlichen
Kriterien basierende alternative Entwässerungsvorschlag für mehrere Grundstücke
mit berücksichtigt wurde. ProblematikDie Frage, ab wann ein
Abwasserbeseitigungspflichtiger für den Betrieb und die Unterhaltung von
Kanälen zuständig wird, ist rechtlich nicht eindeutig geregelt. In dem für den
SAW ungünstigsten Fall beginnt das “Sammeln” des Abwassers und
somit die Betriebs- und Unterhaltungspflicht des SAW bereits dort, wo zwei
Abwasserleitungen von unterschiedlichen Grundstücken zusammenführen
(Y-Prinzip). Dies würde bedeuten, dass der SAW eine Vielzahl von heute privaten
Abwasseranlagen (Kanäle, Schächte, Pumpen, Druckleitungen) übernehmen, sanieren
und unterhalten müsste. Wegen der häufig nicht gegebenen Zugänglichkeit, der
Lage auf privatem Eigentum und dem voraussichtlich erheblichen
Sanierungsaufwand wäre diese Konsequenz für den SAW technisch wie
wirtschaftlich sehr problematisch. In der jüngsten Vergangenheit zeichnet sich eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu dem sogenannten “Y-Prinzip” ab. Ein hierzu von der Abwasserberatung NW veröffentlichter Bericht (Abwasserreport 4.01 der Abwasserberatung NRW) ist dem Sachverhalt als Auszug angefügt. Eine eindeutige Regelung, ab wann die öffentliche Betriebs- und Unterhaltungspflicht beginnt, besteht derzeit nicht. In der aktuellen Satzung zur
Abwasserbeseitigung der Stadt Wermelskirchen, basierend auf der Mustersatzung
des MUNLV NRW,
ist unter § 8, Abs. 1 folgendes festgelegt: “Jedes anzuschließende
Grundstück ist unterirdisch mit einer eigenen Anschlussleitung und ohne
technischen Zusammenhang mit den Nachbargrundstücken an die öffentliche
Abwasseranlage anzuschließen. In Gebieten mit Mischsystem ist für jedes
Grundstück eine Anschlussleitung, in Gebieten mit Trennsystem je eine
Anschlussleitung für Schmutz- und für Niederschlagswasser herzustellen.” Im Abs. 7 heißt es weiterhin: “Bei Zulassung eines gemeinsamen Anschlusses für zwei oder mehrere Grundstücke müssen die Unterhaltungs‑ und Benutzungsrechte und ‑pflichten schriftlich festgelegt und grundbuchlich oder durch Baulast gesichert werden.” Ein gemeinsamer Anschluss für zwei
oder mehrere Grundstücke ist somit satzungsrechtlich nicht grundsätzlich
ausgeschlossen, sondern kann unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden. Künftige VorgehensweiseUm eventuelle Rechtsfolgen
auszuschließen, müsste der SAW bei zukünftigen Hausanschlüssen für jedes
Grundstück eine eigene Anschlussleitung fordern. Dies würde für jedes bestehende
und geplante freistehende Gebäude, Doppelhaushälfte oder Reihenhaus einen
separaten Anschluss bedeuten. Die privaten Kosten zum Anschluss vorhandener
Bebauung sowie von Neubauten an die öffentliche Abwasseranlage können sich bei
einer solchen Vorgehensweise erhöhen. Diese Vorgehensweise würde das
Übernahmerisiko des SAW als Abwasserbeseitigungspflichtiger zu Lasten der
Grundstückseigentümer minimieren, obwohl ein separater Anschluss für jedes
Grundstück aus technischer Sicht häufig nicht unbedingt notwendig ist. Im Sinne einer Gleichbehandlung
unter Berücksichtigung der bisherigen Vorgehensweise schlägt die Werkleitung
eine individuelle Prüfung vor, wenn ein Hausanschluss für mehrere Grundstücke
erstellt werden soll. Um das Risiko einer zukünftigen Übernahme für den SAW zu
minimieren, sollten diese Sammelleitungen einen definierten technischen
Mindeststandard erfüllen. Dieser beinhaltet die Leitungsdimension, das
Rohrmaterial, das Mindestgefälle, die Anordnung von Schächten, die Auslegung
von Pumpen sowie die Zugänglichkeit der Anlagen. Dieser Mindeststandard wird
wie folgt definiert: Mindeststandard
für Sammelleitungen: Sammelleitungen Sammelleitungen
beginnen dann, wenn sich zwei Abwasserleitungen von unterschiedlichen
Grundstücken vereinigen (Y-Prinzip). Rohrdimension Das
Abwasserrohr muss mindestens in der Dimension DN 200 ausgeführt werden. Rohrmaterial Für
Schmutzwasser- und Mischwasserleitungen ist als Rohrmaterial Steinzeug (Stz)
vorzusehen. Für Regenwasserleitungen gibt es keine Vorgabe. Rohrgefälle Das
Gefälle der Sammelleitung muss mindestens 1% betragen. Schächte Schächte
sind am Beginn der Sammelleitung, mindestens alle 50 m sowie bei jeder
Richtungs- und Gefälleänderung anzuordnen. Die Ausführung richtet sich nach der
DIN 4034 mit einem Innendurchmesser von min. 1000 mm. Pumpstationen Dient
eine Pumpstation für die Entwässerung von mehreren Grundstücken, ist diese als
Doppelpumpstation auszuführen. Bei der Bemessung der privaten Pumpstation
einschließlich der folgenden Druckleitung ist die Aufenthaltsdauer des
Abwassers zu beachten. Sollte die Gefahr von Sulfidbildung, Geruchsbelästigung,
Korrosion und Ablagerung bestehen, sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Zugänglichkeit Die
nach dem Y-Prinzip zum Sammeln und Fortleiten von Abwasser dienenden Anlagen
dürfen nicht überbaut werden und müssen dauerhaft zugänglich bleiben. Darstellung Die
Sammelleitungen sind in einem Lageplan darzustellen. Hierin ist die Lage und
Höhe der Abwasseranlage einschließlich Material und Dimension anzugeben, damit
die Sammelleitung zukünftig eindeutig definiert werden kann. Diese Vorgehensweise stellt einen
Kompromiss zwischen kostengünstiger Anschlussnahme für den
Grundstückseigentümer und Minimierung des Übernahmerisikos für den SAW dar. Mit dem Beschluss des
Werksausschusses, dass zukünftig mit Anträgen zur Herstellung von
Sammelleitungen in der oben beschriebenen Art und Weise verfahren wird, will
sich der SAW an diese immer gleiche Verfahrensweise binden. Es entsteht für den SAW eine
Richtlinie, die die Bedingungen festlegt, unter denen ein gemeinsamer Anschluss
zugelassen wird. Sofern eine Änderung der Vorgehensweise und auch der
technischen Mindeststandards zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll erscheint, so
ist dazu ein Beschluss des Werksausschusses über eine Änderung der Richtlinien
einzuholen. Auszug aus dem Bericht der
Abwasserberatung NRW im Abwassereport 4.01: Die Abkehr vom sogenannten Y-Prinzip durch die Rechtsprechung
Amtsgericht Düren, Urteil vom 16.05.2001 (Az. 44 C 114/01),
Amtsgericht Düren, Urteil vom 20.06.2001 (Az. 47 C 54/01), Amtsgericht Düren,
Urteil vom 07.11.2001 (42 C 58/01), Amtsgericht Düren, Urteil vom 07.11.2001
(42 C 70/01) sowie Amtsgericht Düren, Beschluss vom 05.09.2001 (Az. 42 C
70/01). In der kommunalen Praxis stellt sich häufig die Frage, ob
gemeinsame Anschlussleitungen kraft Gesetzes Bestandteil der öffentlichen
Abwasseranlage sind bzw. ob die Gemeinde verpflichtet ist, diese gemeinsamen
Anschlussleitungen in ihr Kanalvermögen zu übernehmen. Diese Verpflichtung soll sich nach einer verbreiteten
Ansicht aus § 18a Absatz 1 Satz 2 WHG ergeben. Dies wird damit begründet, dass
mit dem erstmaligen Zusammenführen von Abwasser zweier Grundstücke ein Sammeln
im Sinne des § 18a Absatz 1 Satz 2 WHG vorliegen würde. Deshalb sei die
Gemeinde im Rahmen ihrer Abwasserbeseitigungspflicht zuständig und deshalb
müsse sie auch die Leitungen übernehmen. Demgegenüber vertritt Becker
(Abwasserreport 4/1999 Seite 16 – 18) zu Recht die Ansicht, dass aus dem Begriff
des Sammelns im Sinne von § 18a WHG eine solche weitgehende Verpflichtung nicht
abzuleiten ist. Dieser Ansicht folgt auch der Städte- und Gemeindebund NRW
(Mitteilung vom 20.06.2001 Nr. 391) und nunmehr auch das Amtsgericht Düren in
den o.g. Entscheidungen. In den entschiedenen Fällen hatte sich die Gemeinde aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit den Anschlussnehmern verpflichtet, auf deren Kosten die in einer Privatstraße verlegte gemeinsame Anschlussleitung zu sanieren. In der Entwässerungssatzung war vorgesehen, dass die Anschlussleitungen lediglich bis zur Grundstücksgrenze Bestandteil der öffentlichen Abwassereinrichtung ist (Vgl. § 10 Abs. 1 KAG). Nach erfolgter Sanierung wollten die Grundstückseigentümer die entstandenen Sanierungskosten jedoch nicht mehr tragen. Sie trugen vor, dass diese Leitung Bestandteil der öffentlichen Abwassereinrichtung sei und dafür weder nach dem KAG noch aufgrund der vertraglichen Vereinbarung eine Zahlungsverpflichtung bestehe. Die Klagen der Gemeinde auf Zahlung der Sanierungskosten hatten in vollem Umfang Erfolg. Über diesen Einzelfall hinaus ist insbesondere die folgende
Aussage in dem Urteil vom 20.06.2001 (47 C 54/01) beachtenswert: Diese gemeinsame Anschlussleitung ist auch nicht deshalb
Bestandteil der öffentlichen Abwassereinrichtung, weil mehrere Grundstücke über
diese Leitung die Entwässerung ihrer Grundstücke durchführen. Denn "unter
einer öffentlichen Einrichtung versteht man nur solche Anlagen, die dem
Allgemeininteresse dienen. Von ihr profitieren nicht nur die angeschlossenen
Einwohner, sondern die gesamte Einwohnerschaft. Ziel ist hierbei die Förderung
des Allgemeinwohls. Zur Verwirklichung dieses Ziels müssen die
Grundstücksanschlüsse zwar hergestellt werden. Die besonderen Vorteile des Einzelnen
oder Einzelner, die in der Ermöglichung der Entwässerung der Grundstücke
bestehen, und das öffentliche Interesse schließen sich jedoch nicht gegenseitig
aus. Für die Interessenabwägung ist nämlich entscheidend, dass die
Anschlussleitungen nicht zur allgemeinen Benutzung bestimmt sind und keine
allgemeinen nützlichen Einrichtungen sind. Ausschlaggebend beim
Grundstücksanschluss ist also der Individualvorteil. Diese aus dem
unterschiedlichen Charakter der öffentlichen Einrichtung und der Grundstücksanschlüsse
bezogenen Gesichtspunkte sind auch bei den Gemeinschaftsanschlüssen maßgebend.
Der besondere Benutzungsvorteil bezieht sich dann nicht mehr auf ein einzelnes
Grundstück, sondern auf mehrere Grundstücke." Schließlich ist auch Folgendes zu bedenken: Gemeinsame Anschlussleitungen werden häufig aus ökonomischen
Gründen von den Grundstückseigentümern hergestellt. Würden diese Leitungen aber
kraft Gesetzes oder aufgrund einer zwingend durchzuführenden Widmung
Bestandteil der öffentlichen Abwassereinrichtung, so könnte die Gemeinde für
deren Sanierung keinen Kostenersatz nach § 10 Abs. 1 KAG NW geltend machen.
Vielmehr würden diese Kosten über die Abwassergebühr auch auf diejenigen abgewälzt,
die - aus welchen Gründen auch immer - keine gemeinsame Anschlussleitung herstellen
konnten. Zeitgleich müssen diese aber für die Kosten der Sanierung ihrer
Anschlussleitung nach § 10 Abs. 1 KAG i.V.m. einer entsprechenden
Satzungsbestimmung aufkommen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung
drängt sich aber nicht auf.
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||