Vorlage - RAT/1865/2010  

 
 
Betreff: Beteiligung der BEW (Bergische Energie- und Wasser-GmbH) an einer Gasvertriebsgesellschaft
Status:öffentlich  
Federführend:Haupt- und Personalamt Bearbeiter/-in: Scholz, Jürgen
Beratungsfolge:
Rat der Stadt Entscheidung
12.04.2010 
Sitzung des Rates der Stadt (offen)   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
BEW_Rhexx  

Beschlussvorschlag:

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt nimmt zur Kenntnis, dass eine Beteiligung der BEW Bergische Energie- und Wasser-GmbH an einer überregionalen Gasvertriebsgesellschaft „rhexx“ rechtlich nicht zulässig ist.

Sachverhalt:

Sachverhalt:

 

Die BEW Bergische Energie- und Wasser-GmbH beabsichtigt, gemeinsam mit anderen Beteiligungsunternehmen der rhenag Rheinische Energie AG und unter Beteiligung der rhenag selbst den Aufbau einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft für Gas, die unter dem Namen „rhexx“ (Projektname) „zusätzliche Vertriebsaktivitäten der Kooperationspartner entwickeln und damit die Chancen einer erfolgreichen Teilnahme am bundesweiten Gaswettbewerb erhöhen soll.“ (Zitat BEW).

 

Die Städte Hückeswagen, Wipperfürth und Wermelskirchen sowie die rhenag Rheinische Energie AG sind an der BEW Bergische Energie- und Wasser-GmbH beteiligt. Die Aktivitäten dieser Gesellschaft sind auf die beteiligten Städte sowie die Gemeinde Kürten beschränkt.

 

Der Aufbau einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft für Gas („rhexx“) bedarf der Zustimmung der Räte aller beteiligten Kommunen.

 

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Beteiligung der BEW und damit indirekt der Stadt Wermelskirchen als Anteilseignerin der BEW an einer solchen überregionalen Vertriebsgesellschaft für Gas rechtlich zulässig ist.

 

Dies hat die Stadt Wermelskirchen in einer ersten juristischen Vorprüfung durch ein kompetentes Anwaltsbüro prüfen lassen.

 

Dieses kommt nach Prüfung der Angelegenheit zu folgendem Ergebnis:

 

„Die Stadt Wermelskirchen ist zu 25,10 % an der BEW beteiligt. Weitere Gesellschafter sind die Städte Wipperfürth (29,96 %) und Hückeswagen (25,47 %) sowie die rhenag Rheinische Energie AG (rhenag) mit Sitz in Köln (19,47 %), deren Anteile zu 66,67 % von der RWE Rhein-Ruhr AG gehalten werden.

 

Der Gasvertrieb kann derzeit nur defizitär betrieben werden. Aus diesem Grund erwägt die BEW den Zusammenschluss mit anderen Gasversorgungsunternehmen. Der Gasvertriebsgesellschaft mit dem Projektnamen „rhexx“ sollen neben der BEW und der rhenag die kommunalen Energieversorger

-                 MAINGAU Energie GmbH aus Obertshausen (Hessen),

-                 medl GmbH aus Mühlheim a.d.R. (NRW),

-                 Regionalgas Euskirchen GmbH & Co. KG aus Euskirchen (NRW) sowie die

-                 Siegener Versorgungsbetriebe GmbH aus Siegen (NRW)

angehören. Für die BEW selbst handelt es sich dabei nicht um eine Neugründung bzw. neue Beteiligung, da die im Jahr 2000 gegründete rhenag Erdgashandel GmbH & Co. KG, an der die BEW bereits beteiligt ist, mit neuer Firma, neuem Unternehmenszweck und geänderter Gesellschafterstruktur fortgeführt werden soll.

 

Gegenstand des Unternehmens „rhexx“ soll der bundesweite Vertrieb von Erdgas an Haushalts- und Gewerbekunden sowie die entsprechende Gasbeschaffung sein. Der von den beteiligten Unternehmen (u.a. der BEW) mit dem Zusammenschluss verfolgte Zweck soll darin bestehen, eine schlank aufgestellte Vertriebsgesellschaft zu errichten, die sich in allen Marktgebieten (d.h. bundesweit) mit attraktiven Angeboten für Haushalts- und Gewerbekunden etablieren kann. Die Vertriebsgesellschaft soll (bundesweit) in folgenden Bereichen tätig sein: (1) Internetbasiertes Massengeschäft (bis ca. 500 MWh) sowie (2) Geschäfts- bzw. Großkundenvertrieb (ca. 500-20.000 MWh). Hierzu soll die Gesellschaft eine eigene Vertriebsstrategie verfolgen und einen eigenständigen Marktauftritt erhalten.

 

Das Unternehmen „rhexx“ soll dabei keinen Einfluss auf die sonstige Geschäftstätigkeit der Gesellschafter nehmen.

 

Die zu prüfende Rechtsfrage lautet:

Ist die Beteiligung der Bergischen Energie- und Wasser-GmbH (BEW) an der Gastvertriebsgesellschaft „rhexx“ (Projektname) mit der Vorschrift des § 107 GO NRW vereinbar? Falls ja, sind sonstige rechtliche Gründe ersichtlich, die gegen diese Beteiligung sprechen?

 

Rechtliche Würdigung/Problemaufriss:

 

1.       Die Beteiligung der BEW an dem Unternehmen „rhexx“ unterfällt nicht unmittelbar dem Anwendungsbereich des § 107 Abs. 1 GO NRW, weil sich die Stadt Wermelskirchen „nur“ an einem Unternehmen mit einer Kapitaleinlage beteiligt und sich insoweit als Kommune nicht selbst wirtschaftlich betätigt.

Eine Gemeinde darf sich gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW jedoch nur dann an einem Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts beteiligen, wenn dieses Unternehmen seinerseits die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW erfüllt. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der Beteiligung der Stadt Wermelskirchen an der BEW erfüllt. Die BEW als Regionalversorgerin für Strom, Gas und Wasser erfüllt unproblematisch die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW.

Die Stadt Wermelskirchen würde sich an dem Unternehmen „rhexx“ nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über ihre Beteiligung an der BEW beteiligen. Die Vorschrift des § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW dürfte aufgrund der Verweisung in § 108 Abs. 5 S. 1, 2. Spiegelstrich GO NRW gleichwohl anwendbar sein. Allerdings kann die Aufsichtsbehörde gemäß § 108 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 5 S. 2 GO NRW Ausnahmen zulassen. Wir gehen im Folgenden von der Anwendbarkeit von § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW aus.

 

2.       Dies bedeutet, dass das Unternehmen „rhexx“ (gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GO NRW) die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW erfüllen muss. Diese sind:

-            ein dringender öffentlicher Zweck erfordert die wirtschaftliche Betätigung (a);

-            die Betätigung muss nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen (b).

a)  Die Rechtsprechung führt stets eine negative Definition des Begriffes „öffentlicher Zweck“ an, indem sie sagt, dass er jedweden im Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang umfasse und nur die Gewinnerwirtschaftung ausschließe.

vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 01.04.2008
– 15 B 122/08 – Rn. 70 <juris>; VG Köln, Beschluss
vom 29.07.2008 – 4 L 1060/08 – Rn. 18 <juris>

Die rechtswissenschaftliche Literatur bemüht sich demgegenüber um eine positive Definition. Es werden hierzu verschiedene Auffassungen vertreten, ohne dass eine „herrschende Meinung“ klar erkennbar wäre. Grundsätzlich wird den Kommunen bei der Bestimmung des zu verfolgenden öffentlichen Zweckes ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum eingeräumt. Allerdings könne nicht jeder denkbare Gemeinwohlbelang ein Tätigwerden der Gemeinde bzw. die Beteiligung einer Gemeinde an einem Unternehmen rechtfertigen, weil hierdurch die begrenzende Wirkung des Tatbestandsmerkmals „öffentlicher Zweck“ ausgehebelt werden würde.

vgl. etwa Ehlers, DVBl. 1998, S. 499

Gemeinsam ist den in der Literatur vertretenen Ansichten und der in der Rechtsprechung verwendeten Definition jedoch der Örtlichkeitsbezug, wie er in Art. 28
Abs. 2 GG seinen Niederschlag gefunden hat. Der mit der wirtschaftlichen Betätigung verfolgte öffentliche Zweck muss auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zurückführbar bzw. in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelt sein.

vgl. BVerfGE 79, 127 (151); BVerwGE 92, 56 (62);
Jarass, DÖV 2002, 489 (497); Gern, NJW 2002, 2593 (2594); Hösch, DÖV 2000, 393 (401)

An diesem Punkt ergeben sich Zweifel, ob das Unternehmen „rhexx“ einen öffentlichen Zweck verfolgt, der sich noch auf die örtlichen Angelegenheiten der Stadt Wermelskirchen zurückführen lässt und nicht nur der Gewinnerwirtschaftung zu dienen bestimmt ist.

 

Zum einen beschränkt sich der Gasvertrieb im Unternehmen „rhexx“ nicht auf die Gemeindegebiete der an dem Unternehmen beteiligten Kommunen, zum anderen steht beim Unternehmen „rhexx“ nicht die Gasversorgung als solche im Vordergrund, sondern eine Verschlankung und Effektuierung des bundesweiten Gasvertriebes, um den Gewinn des Gasgeschäftes zu steigern.

 

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat in einem Urteil vom 21.03.2006 (DÖV 2006, 611) darauf abgehoben, ob wirtschaftliche Notwendigkeiten eine über den örtlichen Wirkungskreis hinausgehende Betätigung erfordern, um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Größe zu erlangen. Ob eine bundesweite Betätigung auf dem Gasversorgungsmarkt zur Erlangung einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Größe erforderlich ist, erscheint sehr zweifelhaft.

 

In der Literatur ist stark umstritten, ob mangelnde Auslastung bzw. ein defizitäres Geschäft eine gewinnorientierte Betätigung der Gemeinde rechtfertigen kann. Soweit ersichtlich, wird dies in der Literatur überwiegend abgelehnt.

vgl. etwa Schink, NVwZ 2002, 129 (134)

Zudem wird teilweise die Auffassung vertreten, dass eine Gemeinde zunächst Kapazitäten abzubauen habe, wenn ein kommunales Unternehmen nicht voll ausgelastet ist oder defizitär betrieben wird.

Hösch, DÖV 2000, 393 (401)

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass § 107 Abs. 3 GO NRW ausdrücklich auch die wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes gestattet. Auch Art. 28 Abs. 2 GG dürfte dem nicht entgegenstehen.

so etwa Jarass, DÖV 2002, 489 (498 f.); Gern, NJW 2002, 2593 (2595)

Ob dies jedoch gleichzeitig bedeutet, dass der mit der wirtschaftlichen Betätigung verfolgte öffentliche Zweck keinerlei Bezug mehr zu der örtlichen Gemeinschaft aufweisen muss, erscheint fraglich.

 

Es wird auch darauf hingewiesen, dass es auf eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles ankomme. Insgesamt müsse eine Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles ergeben, dass die Gewinnerzielungsabsicht deutlich hinter die mit dem Unternehmen verfolgten und in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelten öffentlichen Zwecke zurücktritt.

Held, in: Held u.a. (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar
(Stand: Oktober 2009), Bd. I, § 107, S. 14 f.

b)  Die Beurteilung der Frage, ob die wirtschaftliche Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Stadt Wermelskirchen steht, dürfte geringere Schwierigkeiten bereiten. Hinter diesem Tatbestandsmerkmal steht der Gedanke, dass Kommunen vor finanziellen Risiken, die in einer wirtschaftlichen Betätigung liegen, geschützt werden sollen.

    

Der bundesweite Gasvertrieb steht sicherlich nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Stadt Wermelskirchen. Andererseits ist das finanzielle Risiko für die Stadt durch die Kapitaleinlage und die Beteiligung als Kommanditistin begrenzt. Grundsätzlich wird den Gemeinden im Rahmen dieses Tatbestandmerkmales ein Beurteilungsspielraum zugestanden.

vgl. etwa Ganske, Corporate Governance im öffentlichen Unternehmen, Frankfurt a.M. 2005, S. 99

Tendenziell dürften hier somit keine größeren rechtlichen Probleme liegen.

 

3.       Schließlich kommt in Betracht, dass sich aus Art. 28 Abs. 2 GG und § 107
Abs. 3 GO NRW eine Beschränkung der gemeindegebietsübergreifenden wirtschaftlichen Betätigung von „rhexx“ ergibt. So könnte der bundesweite Gasvertrieb einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie derjenigen Kommunen darstellen, auf deren Gebiet die „rhexx“ tätig wird bzw. werden soll.

vgl. OVG Münster 01.03.2008 - 15 B 122/08 - mit weiteren Nachweisen und Gern, NJW 2002, 2593 (2594 ff.)

          Wie oben bereits angedeutet, scheidet in diesem Zusammenhang als Rechtfertigungsgrund die reine Gewinnerwirtschaftung aus.“

 

Fazit: Es gibt erhebliche rechtliche Bedenken aus den vorstehenden Gründen gegen die geplante Beteiligung der BEW an der Vertriebsgesellschaft „rhexx“.

 

 

Gegen die Zulässigkeit der Beteiligung der BEW an einer überregionalen Vertriebsgesellschaft für Gas spricht weiterhin die Tatsache, dass ein vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Schluss kommt, die rechtlichen Rahmenbedingungen müssten geändert werden, um genau dieses zu ermöglichen.

 

Eine Kurzfassung des Gutachtens ist dieser Beschlussvorlage als Anlage beigefügt.

 

Aus alledem folgt, dass eine Beteiligung der BEW an der Gasvertriebsgesellschaft „rhexx“ nach den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen rechtlich nicht zulässig ist. Daher kann der Rat der Stadt Wermelskirchen keinen entsprechenden Beschluss fassen.

 

Falls der Rat der Stadt dennoch einen entsprechenden Beschluss fassen sollte, wäre der Bürgermeister gem. § 54 Abs. 2 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen verpflichtet, diesen Beschluss zu beanstanden.

Anlage/n:

Anlage/n:

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 BEW_Rhexx (206 KB)