Beschlussvorschlag: Der
Rat der Stadt nimmt zur Kenntnis, dass eine Beteiligung der BEW Bergische
Energie- und Wasser-GmbH an einer überregionalen Gasvertriebsgesellschaft
„rhexx“ rechtlich nicht zulässig ist. Sachverhalt: Die
BEW Bergische Energie- und Wasser-GmbH beabsichtigt, gemeinsam mit anderen Beteiligungsunternehmen
der rhenag Rheinische Energie AG und unter Beteiligung der rhenag selbst den
Aufbau einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft für Gas, die unter dem Namen
„rhexx“ (Projektname) „zusätzliche Vertriebsaktivitäten der Kooperationspartner
entwickeln und damit die Chancen einer erfolgreichen Teilnahme am bundesweiten
Gaswettbewerb erhöhen soll.“ (Zitat BEW). Die
Städte Hückeswagen, Wipperfürth und Wermelskirchen sowie die rhenag Rheinische
Energie AG sind an der BEW Bergische Energie- und Wasser-GmbH beteiligt. Die
Aktivitäten dieser Gesellschaft sind auf die beteiligten Städte sowie die
Gemeinde Kürten beschränkt. Der Aufbau
einer gemeinsamen Vertriebsgesellschaft für Gas („rhexx“) bedarf
der Zustimmung der Räte aller beteiligten Kommunen. Es
stellt sich jedoch die Frage, ob die Beteiligung der BEW und damit indirekt der
Stadt Wermelskirchen als Anteilseignerin der BEW an einer solchen
überregionalen Vertriebsgesellschaft für Gas rechtlich zulässig ist. Dies
hat die Stadt Wermelskirchen in einer ersten juristischen Vorprüfung durch ein
kompetentes Anwaltsbüro prüfen lassen. Dieses
kommt nach Prüfung der Angelegenheit zu folgendem Ergebnis: „Die Stadt Wermelskirchen ist zu 25,10 % an der
BEW beteiligt. Weitere Gesellschafter sind die Städte Wipperfürth
(29,96 %) und Hückeswagen (25,47 %) sowie die rhenag Rheinische
Energie AG (rhenag) mit Sitz in Köln (19,47 %), deren Anteile zu
66,67 % von der RWE Rhein-Ruhr AG gehalten werden. Der Gasvertrieb kann derzeit nur defizitär betrieben werden.
Aus diesem Grund erwägt die BEW den Zusammenschluss mit anderen
Gasversorgungsunternehmen. Der Gasvertriebsgesellschaft mit dem Projektnamen
„rhexx“ sollen neben der BEW und der rhenag die kommunalen
Energieversorger -
MAINGAU
Energie GmbH aus Obertshausen (Hessen), -
medl
GmbH aus Mühlheim a.d.R. (NRW), -
Regionalgas
Euskirchen GmbH & Co. KG aus Euskirchen (NRW) sowie die -
Siegener
Versorgungsbetriebe GmbH aus Siegen (NRW) angehören. Für die BEW selbst handelt es sich dabei nicht um
eine Neugründung bzw. neue Beteiligung, da die im Jahr 2000 gegründete rhenag
Erdgashandel GmbH & Co. KG, an der die BEW bereits beteiligt ist, mit neuer
Firma, neuem Unternehmenszweck und geänderter Gesellschafterstruktur fortgeführt
werden soll. Gegenstand des Unternehmens „rhexx“ soll der
bundesweite Vertrieb von Erdgas an Haushalts- und Gewerbekunden sowie die
entsprechende Gasbeschaffung sein. Der von den beteiligten Unternehmen (u.a.
der BEW) mit dem Zusammenschluss verfolgte Zweck soll darin bestehen, eine
schlank aufgestellte Vertriebsgesellschaft zu errichten, die sich in allen Marktgebieten
(d.h. bundesweit) mit attraktiven Angeboten für Haushalts- und Gewerbekunden
etablieren kann. Die Vertriebsgesellschaft soll (bundesweit) in folgenden
Bereichen tätig sein: (1) Internetbasiertes Massengeschäft (bis ca. 500 MWh)
sowie (2) Geschäfts- bzw. Großkundenvertrieb (ca. 500-20.000 MWh). Hierzu soll
die Gesellschaft eine eigene Vertriebsstrategie verfolgen und einen
eigenständigen Marktauftritt erhalten. Das Unternehmen „rhexx“ soll dabei keinen
Einfluss auf die sonstige Geschäftstätigkeit der Gesellschafter nehmen. Die zu prüfende Rechtsfrage lautet: Ist die Beteiligung der Bergischen Energie- und Wasser-GmbH
(BEW) an der Gastvertriebsgesellschaft „rhexx“ (Projektname) mit
der Vorschrift des § 107 GO NRW vereinbar? Falls ja, sind sonstige
rechtliche Gründe ersichtlich, die gegen diese Beteiligung sprechen? Rechtliche Würdigung/Problemaufriss: 1. Die Beteiligung der BEW an dem
Unternehmen „rhexx“ unterfällt nicht unmittelbar dem
Anwendungsbereich des § 107 Abs. 1 GO NRW, weil sich die Stadt
Wermelskirchen „nur“ an einem Unternehmen mit einer Kapitaleinlage
beteiligt und sich insoweit als Kommune nicht selbst wirtschaftlich betätigt. Eine Gemeinde darf sich gemäß
§ 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW jedoch nur dann an einem
Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts beteiligen, wenn dieses
Unternehmen seinerseits die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 S. 1 GO
NRW erfüllt. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der Beteiligung der Stadt
Wermelskirchen an der BEW erfüllt. Die BEW als Regionalversorgerin für Strom,
Gas und Wasser erfüllt unproblematisch die Voraussetzungen des § 107 Abs.
1 S. 1 GO NRW. Die Stadt Wermelskirchen würde sich
an dem Unternehmen „rhexx“ nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar
über ihre Beteiligung an der BEW beteiligen. Die Vorschrift des § 108
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW dürfte aufgrund der Verweisung in § 108
Abs. 5 S. 1, 2. Spiegelstrich GO NRW gleichwohl anwendbar sein. Allerdings kann
die Aufsichtsbehörde gemäß § 108 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 5 S. 2 GO NRW
Ausnahmen zulassen. Wir gehen im Folgenden von der Anwendbarkeit von § 108 Abs.
1 S. 1 Nr. 1 GO NRW aus. 2. Dies bedeutet, dass das Unternehmen
„rhexx“ (gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 -
ein
dringender öffentlicher Zweck erfordert die wirtschaftliche Betätigung (a); -
die
Betätigung muss nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur
Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen (b). a) Die Rechtsprechung führt stets eine negative
Definition des Begriffes „öffentlicher Zweck“ an, indem sie sagt,
dass er jedweden im Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang
umfasse und nur die Gewinnerwirtschaftung ausschließe. vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 01.04.2008 Die rechtswissenschaftliche Literatur
bemüht sich demgegenüber um eine positive Definition. Es werden hierzu
verschiedene Auffassungen vertreten, ohne dass eine „herrschende
Meinung“ klar erkennbar wäre. Grundsätzlich wird den Kommunen bei der
Bestimmung des zu verfolgenden öffentlichen Zweckes ein nicht unerheblicher
Ermessensspielraum eingeräumt. Allerdings könne nicht jeder denkbare
Gemeinwohlbelang ein Tätigwerden der Gemeinde bzw. die Beteiligung einer
Gemeinde an einem Unternehmen rechtfertigen, weil hierdurch die begrenzende Wirkung
des Tatbestandsmerkmals „öffentlicher Zweck“ ausgehebelt werden
würde. vgl. etwa Ehlers, DVBl. 1998, S. 499 Gemeinsam ist den in der Literatur
vertretenen Ansichten und der in der Rechtsprechung verwendeten Definition
jedoch der Örtlichkeitsbezug, wie er in Art. 28 vgl. BVerfGE 79, 127 (151); BVerwGE 92, 56 (62); An diesem Punkt ergeben sich
Zweifel, ob das Unternehmen „rhexx“ einen öffentlichen Zweck
verfolgt, der sich noch auf die örtlichen Angelegenheiten der Stadt
Wermelskirchen zurückführen lässt und nicht nur der Gewinnerwirtschaftung zu
dienen bestimmt ist. Zum einen beschränkt sich der
Gasvertrieb im Unternehmen „rhexx“ nicht auf die Gemeindegebiete
der an dem Unternehmen beteiligten Kommunen, zum anderen steht beim Unternehmen
„rhexx“ nicht die Gasversorgung als solche im Vordergrund, sondern
eine Verschlankung und Effektuierung des bundesweiten Gasvertriebes, um den
Gewinn des Gasgeschäftes zu steigern. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz
hat in einem Urteil vom 21.03.2006 (DÖV 2006, 611) darauf abgehoben, ob
wirtschaftliche Notwendigkeiten eine über den örtlichen Wirkungskreis
hinausgehende Betätigung erfordern, um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle
Größe zu erlangen. Ob eine bundesweite Betätigung auf dem Gasversorgungsmarkt
zur Erlangung einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Größe erforderlich ist,
erscheint sehr zweifelhaft. In der Literatur ist stark
umstritten, ob mangelnde Auslastung bzw. ein defizitäres Geschäft eine
gewinnorientierte Betätigung der Gemeinde rechtfertigen kann. Soweit ersichtlich,
wird dies in der Literatur überwiegend abgelehnt. vgl. etwa Schink, NVwZ 2002, 129 (134) Zudem wird teilweise die Auffassung
vertreten, dass eine Gemeinde zunächst Kapazitäten abzubauen habe, wenn ein
kommunales Unternehmen nicht voll ausgelastet ist oder defizitär betrieben
wird. Hösch, DÖV 2000, 393 (401) Andererseits ist zu berücksichtigen,
dass § 107 Abs. 3 GO NRW ausdrücklich auch die wirtschaftliche
Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes gestattet. Auch Art. 28
Abs. 2 GG dürfte dem nicht entgegenstehen. so etwa Jarass, DÖV 2002, 489 (498 f.); Gern, NJW 2002, 2593
(2595) Ob dies jedoch gleichzeitig
bedeutet, dass der mit der wirtschaftlichen Betätigung verfolgte öffentliche
Zweck keinerlei Bezug mehr zu der örtlichen Gemeinschaft aufweisen muss,
erscheint fraglich. Es wird auch darauf hingewiesen,
dass es auf eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles ankomme. Insgesamt müsse eine
Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles ergeben, dass die
Gewinnerzielungsabsicht deutlich hinter die mit dem Unternehmen verfolgten und
in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelten öffentlichen Zwecke zurücktritt. Held, in: Held u.a. (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht
Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar b) Die Beurteilung der Frage, ob die
wirtschaftliche Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis
zur Leistungsfähigkeit der Stadt Wermelskirchen steht, dürfte geringere Schwierigkeiten
bereiten. Hinter diesem Tatbestandsmerkmal steht der Gedanke, dass Kommunen vor
finanziellen Risiken, die in einer wirtschaftlichen Betätigung liegen,
geschützt werden sollen. Der bundesweite Gasvertrieb steht
sicherlich nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der
Stadt Wermelskirchen. Andererseits ist das finanzielle Risiko für die Stadt
durch die Kapitaleinlage und die Beteiligung als Kommanditistin begrenzt.
Grundsätzlich wird den Gemeinden im Rahmen dieses Tatbestandmerkmales ein Beurteilungsspielraum
zugestanden. vgl. etwa Tendenziell dürften hier somit keine
größeren rechtlichen Probleme liegen. 3. Schließlich kommt in Betracht, dass sich
aus Art. 28 Abs. 2 GG und § 107 vgl. OVG Münster 01.03.2008 - 15 B 122/08 - mit weiteren
Nachweisen und Gern, NJW 2002, 2593 (2594 ff.) Wie oben bereits angedeutet, scheidet
in diesem Zusammenhang als Rechtfertigungsgrund die reine Gewinnerwirtschaftung
aus.“ Fazit: Es gibt erhebliche rechtliche Bedenken aus den
vorstehenden Gründen gegen die geplante Beteiligung der BEW an der
Vertriebsgesellschaft „rhexx“. Gegen
die Zulässigkeit der Beteiligung der BEW an einer überregionalen Vertriebsgesellschaft
für Gas spricht weiterhin die Tatsache, dass ein vom Ministerium für
Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag
gegebenes Gutachten zu dem Schluss kommt, die rechtlichen Rahmenbedingungen
müssten geändert werden, um genau dieses zu ermöglichen. Eine
Kurzfassung des Gutachtens ist dieser Beschlussvorlage als Anlage beigefügt. Aus
alledem folgt, dass eine Beteiligung der BEW an der Gasvertriebsgesellschaft
„rhexx“ nach den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen rechtlich
nicht zulässig ist. Daher kann der Rat der Stadt Wermelskirchen keinen
entsprechenden Beschluss fassen. Falls
der Rat der Stadt dennoch einen entsprechenden Beschluss fassen sollte, wäre
der Bürgermeister gem. § 54 Abs. 2 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen
verpflichtet, diesen Beschluss zu beanstanden. Anlage/n:
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