Vorlage - RAT/1951/2010  

 
 
Betreff: Niederschlagswasserentsorgung; Abkopplung vom Kanal
Status:öffentlich  
Verfasser:Lesske, Florian
Federführend:Amt für Bauverwaltung Bearbeiter/-in: Leßke, Florian
Beratungsfolge:
Betriebsausschuss Städtischer Abwasserbetrieb Entscheidung
07.10.2010 
Sitzung des Betriebsausschusses Städtischer Abwasserbetrieb zur Kenntnis genommen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt

Beschlussvorschlag:

Beschlussvorschlag:

 

Der Betriebsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Änderung der stetigen Verwaltungspraxis zur Kenntnis.

Sachverhalt:

Sachverhalt:

 

Wie bereits in der Sitzung des Betriebsausschusses am 20.05.2010 berichtet, wird die Betriebsleitung ihre ständige Verwaltungspraxis im Zusammenhang mit der Erhebung der Niederschlagswassergebühr ändern.

 

Die Rechtsprechung aus den Jahren 2008 und 2009 hat festgestellt, dass den Nutzungsberechtigten eines Grundstücks gegenüber der Stadt grundsätzlich eine Abwasserüberlassungspflicht auch für das Niederschlagswasser trifft. Dabei geht es um dasjenige Niederschlagswasser, welches auf bebauten oder befestigten Flächen anfällt, dort mangels Versickerungsfähigkeit gesammelt und abgeleitet wird (abfließt) und damit als Abwasser einzustufen ist (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Wasserhaushaltsgesetz - WHG bzw. § 51 Abs. 1 Landeswassergesetz NRW - LWG NRW).

 

Im Übrigen zeigt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zurzeit die Tendenz, dass seit dem Inkrafttreten der Änderung des Landeswassergesetzes am 11.5.2005 die Abwasserbeseitigungspflicht für das Niederschlagswasser bei allen Grundstücken im Stadtgebiet wieder bei der jeweiligen Stadt liegt. Diese muss nunmehr auf der Grundlage der neuen Rechtslage im Einzelfall prüfen, ob eine Freistellung von der Abwasserüberlassungspflicht im Einzelfall erfolgen kann.

 

Der jeweilige Einzelfall ist daher genau darauf hin zu überprüfen, ob eine Nichtableitung des Niederschlagswassers in den öffentlichen Kanal für die Gemeinde Haftungsrisiken hervorrufen könnte. Im Kern geht es bei der Niederschlagswasserbeseitigung nach wie vor darum, dass eine ordnungsgemäße Ableitung des Niederschlagswassers von einem Grundstück erfolgen muss, damit unter anderem auf Nachbargrundstücken keine Schäden (z.B. Vernässungsschäden an Gebäuden) entstehen. Denn tritt ein Schaden auf dem Nachbargrundstück ein, weil die Gemeinde nicht auf die Erfüllung der Abwasserüberlassungspflicht bzw. den Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser bestanden hat, so ist sie grundsätzlich Amtshaftungsansprüchen aus Art. 34 GG, § 839 BGB ausgesetzt, weil sie dann ihrer Abwasserbeseitigungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist. Eine solche Haftung ist zu vermeiden, was aber letztlich nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden kann.

 

Außerdem ist zu bedenken, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen ist. Ein guter ökologischer Zustand der natürlichen Gewässer kann nur dann erreicht werden, wenn bei allen Einleitungen in ein Gewässer geprüft wird, ob sich der Gewässerzustand durch die Einleitung verschlechtert. Insofern müssen auch Einleitungen von Niederschlagswasser in ein Gewässer durch die untere Wasserbehörde genehmigt werden.

 

In diesem Zusammenhang hat auch das OVG NRW im Jahr 2009 klargestellt, dass ein pauschales Gutachten nicht ausreicht, wonach die Versickerung des Niederschlagswassers von den bebauten oder befestigten Flächen grundsätzlich als möglich angesehen wird. Vielmehr ist ein detaillierter, konkreter sowie schlüssiger Nachweis durch ein hydrogeologisches Gutachten zu führen. Auch der Sachvortrag, das Niederschlagswasser werde auf dem Grundstück einem extra hierfür angelegten Teich zugeführt, reicht insoweit nicht. Erforderlich ist vielmehr ein hydrogeologisches Gutachten des Grundstückseigentümers, das diverse Faktoren in ihren wechselseitigen Beziehungen betrachtet (Größe der Dachflächen, durchschnittliche Niederschlagsmengen, Niederschläge bei Starkregenereignissen, Teichgröße, etwaige weitere Zuläufe in den Teich, Versickerung und die Verdunstung des Teichwassers etc.). Es muss auch bestätigen, dass der Teich auch unter extremen Bedingungen voraussichtlich nicht überlaufen wird.

 

Aus der aktuellen Rechtsprechung(*) kann insgesamt entnommen werden, dass ein Grundstückseigentümer zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Freistellung von der Abwasserwasserüberlassungspflicht nach § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW hat. Gleichwohl nimmt die Rechtsprechung einen Anspruch des Grundstückseigentümers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung an, weil in § 53 Abs. 3 a Satz 1 LWG NRW das Wort „kann“ enthalten ist. Deshalb ist es besonders wichtig, eine stetige und gleichbleibende Verwaltungspraxis auszubilden. Diese sollte sich im Interesse aller Gebührenzahler daran orientieren, die Niederschlagswassergebühr stabil zu halten und eine Flächenabkoppelung nur dann zuzulassen, wenn es hierfür nachvollziehbare abwassertechnische Notwendigkeiten gibt. Diese können z.B. dann vorliegen, wenn ein Mischwasserkanal nachweisbar überlastet ist und deshalb eine Abkoppelung Sinn machen kann. Eine Abkoppelung sollte aber stets nur dann zugelassen werden, wenn definitiv ausgeschlossen werden kann, dass die Stadt in die Haftung gerät, weil etwa durch die Abkoppelung Vernässungsschäden auf Nachbargrundstücken auftreten und die Stadt dann Verursacher der Abkoppelung ist.

 

Außerdem muss der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) beachtet werden. Würden Abkoppelungen nach Wunsch zugelassen und steigt die Niederschlagswassergebühr, so kann als Reaktion darauf dann nicht anderen Grundstückseigentümern die Abkoppelung einfach versagt werden, denn sie könnten sich dann auf die Verwaltungspraxis der Stadt berufen, jeden Wunsch auf Abkoppelung in der Vergangenheit zugelassen zu haben. Deshalb sind Ungleichbehandlungen nur gerechtfertigt, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht. Dieses ist z.B. dann der Fall, wenn der Mischwasserkanal in der A-Straße überlastet ist und in der B-Straße gerade nicht, so dass deshalb in der B-Straße Abkoppelungen versagt werden. Wichtig ist, dass dem Bestreben von einigen Grundstückseigentümern nach bloßen Einsparungen bei der Niederschlagswassergebühr nicht Rechnung zu tragen ist, denn in erster Linie dient die geordnete Niederschlagswasserbeseitigung nach wie vor dazu, Überschwemmungen und Vernässungsschäden auf Nachbargrundstücken zu vermeiden. Außerdem hätte dies auf lange Sicht zur Folge, dass die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung von immer weniger Gebührenpflichtigen getragen werden müssten. Da diese Kosten zu über 90% aus Fixkosten bestehen, würden diejenigen, die keine Möglichkeit zur Abkopplung haben, weit überproportional belastet.

 

Unabhängig davon hat der Grundstückseigentümer aber immer das Recht, echte Entsiegelungen durchzuführen, d.h. z.B. eine mit Pflastersteinen befestigte Fläche auf seinem Grundstück zu beseitigen und diese Fläche wieder als Blumenbeet oder Rasenfläche zu nutzen.

 

Auch wird die Abwasserüberlassungspflicht im Einzelfall nicht überspannt. Dieses gilt z.B. für Terrassen hinter dem Haus, die mit Gefälle in der Pflasterung das Niederschlagswasser in Blumenbeete oder auf den Zierrasen ableiten, wo es dann auf natürlichem Weg versickert. Hier wird kein Anschluss dieser Fläche an den öffentlichen Kanal eingefordert werden, wenn die Ableitung des Niederschlagswassers unproblematisch ist. Gleiches gilt etwa für kleinere Überdachungen. Dennoch kann aus der bislang ergangenen Rechtsprechung abgeleitet werden, dass für Flächen über 20 m² grundsätzlich die Abwasserüberlassungspflicht bzw. der Anschluss- und Benutzungszwang an das öffentliche Kanalnetz bzw. die öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung durchzusetzen ist.

 

 

 

(*) relevante Rechtsprechung:

 

OVG NRW, Beschluss vom 24.6.2009 – Az.: 15 A 1187/08

VG Arnsberg, Urteil vom 17.8.2009 – Az.: 14 K 3002/08

VG Arnsberg, Urteil vom 17.8.2009 – Az.: 14 K 1706/09

VG Minden, Urteil vom 13.11.2006 – Az.: 11 K 1562/05

VG Minden, Urteil vom 19.11.2008 – Az.: 11 K 671/08

VG Münster, Urteil vom 18.11.2008 – Az.: 1 K 2209/07