Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt beschließt, die Grundsteuer B zum 01.01.2012 auf 488 v.H. zu erhöhen. Darüber hinaus beschließt der Rat, ab dem 01.01.2012 auf die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren zu verzichten.
Sachverhalt:
A) Überblick
Die Stadt Wermelskirchen erhebt bisher Benutzungsgebühren für die Straßenreinigung und den Winterdienst von den zu veranlagenden Grundstückseigentümern gemäß Satzung. Rechtsgrundlage hierfür ist neben der Gemeindeordnung auch das Straßenreinigungsgesetz Nordrhein-Westfalen (StrReinG NRW).
Rechtliche Grundlagen
Gem. § 3 Abs. (1) StrReinG NRW „[…] können [die Gemeinden] von den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke als Gegenleistung für die Kosten der Straßenreinigung eine Benutzungsgebühr nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes erheben.“ Die Kommune hat hierbei ein Ermessen, ob sie die Kosten durch Gebühren oder durch andere entsprechende Erträge deckt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Straßenreinigungsgesetz befristet (31.12.2014) und bereits einmal verlängert worden ist.
Die Ermessensentscheidung der Gemeinde kann neben dem Prinzip der Kostendeckung auch andere Aspekte berücksichtigen. Hierunter fällt z.B. auch der Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung (Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit).
Vorschlag im Rahmen der Konsolidierung
Daher wurde in der Konsolidierungsliste, welche die Kämmerei mit Unterstützung der Fachämter zusammen getragen hat, vorgeschlagen, die Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren abzuschaffen und die entstehenden Kosten durch eine Erhöhung der Grundsteuer B zu decken. Innerhalb der Kämmerei wurde diese Frage bereits seit der ersten Verlängerung des Straßenreinigungsgesetzes im Jahr 2009 intern diskutiert.
Zusätzlicher aktueller Anlass ist ein Prüfbericht des Rechnungsprüfungsamtes zur Kalkulation der Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren 2011 (Bericht 14/20111). Hierin wird unter A/8 ausgeführt:
„Die Rechnungsprüfung schlägt vor, die Straßenreinigungsgebühren abzuschaffen und eine Erhebung über die Grundsteuer B vorzunehmen. Hierzu sollten seitens der Verwaltung verschiedene Alternativen von der Umlage des reinen Gebührenausfalls bis zur Umlage sämtlicher Kosten des Kehr- und Winterdienstes untersucht und in die politische Beratung eingebracht werden.“
In der Stellungnahme zu diesem Prüfbericht schließt sich die Kämmerei diesem Vorschlag vollinhaltlich an.
Die Rechtmäßigkeit der Umlage der Kosten für die Straßenreinigung wurde bereits in einigen Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen bestätigt (u.a. Urteil vom 26.11.2009 – 14 A 131/08; siehe auch ZKF 2010 Nr. 2, Seite 48).
Aus den genannten Gründen schlägt die Verwaltung daher vor, ab dem Jahr 2012 auf die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren zu verzichten und im Gegenzug die Grundsteuer B zur Deckung der Kosten zu erhöhen.
B) Begründung des Verwaltungsvorschlages
Es ist festzustellen, dass grundsätzlich jeder Einwohner Wermelskirchens einen Nutzen von sauberen und gereinigten Straßen, insbesondere im Winter, hat. Hierbei ist es im Regelfall auch unerheblich, in welchem Teil der Stadt sich die Wohnung befindet. Auch derjenige, der im Sommer oder Winter seine eigene Straße bzw. Straßenanteil reinigt, nutzt wiederum andere Straßen, die bisher der Gebührenpflicht unterliegen. Allerdings zahlen hierfür bislang lediglich die Eigentümer dieser Anliegergrundstücke. Insgesamt führt somit eine Umlage der Kosten auf die Grundsteuer B zu einer etwas gerechteren Verteilung der Lasten.
Gleichzeitig würde die Umstellung aber auch zur Einsparung von Kosten führen, welche ansonsten entweder einmalig oder dauerhaft auf die Gebührenzahler umgelegt werden müssten. Nachfolgend werden diese dargestellt.
Einführung von Reinigungsklassen
Jeder Anlieger, welcher der Gebührenpflicht laut Satzung unterliegt, zahlt den gleichen Preis, je nachdem, ob Straßenreinigung und Winterdienst oder nur der Winterdienst in Anspruch genommen wird. Zukünftig müsste geprüft werden, ob diese einheitliche Gebühr noch verursachungsgerecht ist und weiterhin verwendet werden darf. Fraglich ist hier, ob in einigen Straßen nicht mehrfach gereinigt wird, in anderen aber nicht. Die Verwaltung geht hierfür von geschätzten einmaligen gebührenfähigen Kosten in Höhe von mindestens 8.000 € aus. Die Überprüfung müsste aufgrund der Rechtssicherheit im Jahr 2012 erfolgen und 2013 umgesetzt werden.
Überprüfung des öffentlichen Anteils
Für den so genannten öffentlichen Anteil (überörtlicher Verkehr etc.) werden im Rahmen des Sommerkehrdienstes 25 % durch den allgemeinen Haushalt getragen. Beim Winterdienst werden zunächst 30 % der Kosten für die Winterreinigung der Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften durch den Haushalt finanziert. Auf die restlichen Kosten entfällt wiederum ein öffentlicher Anteil von 25 %, welcher durch allgemeine Haushaltsmittel zu decken ist. Da diese Anteile bereits sehr lange gelten, sind diese ebenfalls im kommenden Jahr zu überprüfen (geschätzte Kosten rund 10.000 €).
Vermeidung Prozessrisiko
Jeder Gebührenpflichtige kann gegen einen Gebührenbescheid Klage einreichen. Schlimmstenfalls kann eine komplette Gebührensatzung für nichtig erklärt werden. Die bereits genannten Punkte besitzen ein leichtes Prozessrisiko, wobei hier nicht von einer Nichtigkeit ausgegangen werden kann, da die Problemfelder erkannt und in 2012 gelöst würden.
Dies gilt jedoch nicht für den Gebührenmaßstab (Frontmetermaßstab). Ein falscher Gebührenmaßstab führt grundsätzlich zur Nichtigkeit einer Gebührensatzung. Derzeit wird der Frontmetermaßstab vom OVG NRW noch akzeptiert. Allerdings wurde in den vergangenen zwei Jahren mehrmals von der langjährigen Rechtsprechung abgewichen (einheitliche Abwassergebühr, Gebührenerhebung durch Dritte, etc.).
Insofern beinhaltet der Frontmetermaßstab ein latentes Risiko. In der Literatur und im Rahmen von gebührenrechtlichen Seminaren wird immer wieder auf Alternativmaßstäbe bei der Straßenreinigung hingewiesen. Hier wäre z.B. als Bezugsgröße die Quadratwurzel der Grundstücksfläche zu nennen. Jede Änderung des Maßstabes würde jedoch zu einem enormen Aufwand bei der Ermittlung führen. Hierfür rechnet die Verwaltung aufgrund von Erfahrungswerten mit rund 30.000 € bis 40.000 € für externe Ingenieurleistungen. Hinzu käme die komplette Umsetzung der Veranlagung der Grundbesitzabgaben.
Einsparung von Personalkosten
Durch die Umstellung auf die Grundsteuer könnten dauerhaft in der Kämmerei Personalkosten in Höhe von rund 10.000 € jährlich eingespart werden.
Nivellierung von Gebührenschwankungen
Gem. § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz NRW müssen Gebührenüberdeckungen innerhalb von drei Jahren ausglichen werden, Unterdeckungen sollen innerhalb dieses Zeitraums ausgeglichen werden. Aufgrund der Haushaltssituation kann die Stadt Wermelskirchen nicht auf den Ausgleich dieser Unterdeckung verzichten. Der theoretisch dreijährige Ausgleichszeitraum ist in Wirklichkeit nur auf zwei Jahre begrenzt, da die Kalkulation des Folgejahres vor der Betriebsabrechnung des Vorjahres erfolgt.
Die Betriebsabrechnung 2010 weist ein Defizit in Höhe von 444.482 € aus. Nach Verrechnung von Überdeckungen aus Vorjahren verbleibt ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 377.095 €. Dieser Ausgleichsbetrag muss in der Gebührenkalkulation 2012 und 2013 eingestellt werden und führt dort zu deutlichen Gebührenerhöhungen (Kalkulation 2012: 2,30 € je lfd. Meter / + 70 %).
Im Rahmen einer Umstellung dürfte zwar ebenfalls nicht auf die entstandene Unterdeckung verzichtet werden, allerdings könnte diese – ohne die zeitliche Beschränkung – auf mehr als zwei Jahre verteilt werden. Denkbar wären hier beispielsweise fünf Jahre. Nach diesem Zeitraum könnte die „Kalkulation“ der Grundsteuererhöhung auch noch mal überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Nachfolgend werden verschiedene Modelle der Umlage der Straßenreinigungskosten auf die Grundsteuer dargestellt.
C) Alternativen bei der Umlage
Näher betrachtet werden sollen folgende Alternativen:
1. Deckung der gebührenfähigen Kosten für den Kehr- und Winterdienst 2. Deckung der kompletten Kosten für den Kehr- und Winterdienst einschließlich des öffentlichen Anteils
Weitere Alternativen (z.B. nur die Deckung der Sommer- oder der Wintereinigung) machen keinen Sinn, da sie grundsätzlich zu keiner Einsparung führen.
1. Deckung der gebührenfähigen Kosten für den Kehr- und Winterdienst Bei dieser Variante verbleibt der öffentliche Anteil beim allgemeinen Haushalt. Die gebührenfähigen Kosten werden den Grundsteuererträgen hinzugerechnet und in ein prozentuales Verhältnis gebracht. Die Berechnung ergibt sich aus Anlage 1.
2. Deckung der kompletten Kosten für den Kehr- und Winterdienst einschließlich des öffentlichen Anteils Hierbei werden die gesamten Kosten einschließlich des öffentlichen Anteils den Grundsteuererträgen hinzugerechnet und in ein prozentuales Verhältnis gebracht. Die Berechnung ergibt sich aus Anlage 2.
Ergebnisse
Bei Umsetzung der Alternative 1 müsste die Grundsteuer B von bisher 416 v.H. um 44 Punkte auf 460 v.H. erhöht werden. Der öffentliche Anteil in Höhe von insgesamt 349.200 € verbleibt weiterhin beim städtischen Haushalt.
Für die Umsetzung der Alternative 2 müsste die Grundsteuer B von bisher 416 v.H. um 72 Punkte auf 488 v.H. erhöht werden. Der öffentliche Anteil in Höhe von insgesamt 349.200 € ist hierin enthalten. Der städtische Haushalt würde zwar ebenfalls erhöhte Grundsteuerkosten zu tragen haben, diesen ist aber die Entlastung vom öffentlichen Anteil entgegen zu rechnen. Es ergäbe sich somit eine deutliche Einsparung im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung.
Verwaltungsvorschlag
Die Verwaltung schlägt vor, die Grundsteuer B entsprechend der Alternative 2 von bisher 416 v.H. um 72 Punkte auf 488 v.H. zu erhöhen. Hierin ist auch die Umlage des öffentlichen Anteils enthalten. Dieser wurde bisher ebenfalls aus dem allgemeinen Haushalt und damit letztlich aus Steuermitteln getragen. Die aktuelle Haushaltslage der Stadt Wermelskirchen zeigt, dass die bisherigen Steuereinnahmen nicht mehr ausreichend sind. Gleichzeitig hat die Bevölkerung der Stadt Wermelskirchen den größten Nutzen von der Straßenreinigung einschließlich des Winterdienstes. Eine finanzielle Inanspruchnahme Externer ist in diesem Bereich leider nicht möglich. Daher bleibt letztlich nur die Möglichkeit, die Grundsteuer B entsprechend dem o.g. Vorschlag zu erhöhen.
Ergänzende Hinweise Sofern der Rat der Stadt Wermelskirchen dem o.g. Verwaltungsvorschlag nicht folgt, muss für das Jahr 2012 eine gültige Gebührenkalkulation beschlossen werden. Diese wurde auch mit der Vorlage (RAT/2242/2011) erstellt.
Wenn der Rat dem Verwaltungsvorschlag folgen sollte, ist die genannte Vorlage damit gegenstandslos. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Berechnung der umzulegenden Kosten im Rahmen dieser Vorlage von der Kalkulation der Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühr abweicht, da bei dieser Vorlage nicht der im Kommunalabgabengesetz NRW fixierte Ausgleichszeitraum zu beachten ist.
Anlage/n: · Erhöhung der Grundsteuer B ohne Berücksichtigung des öffentlichen Anteils (Anlage 1) · Erhöhung der Grundsteuer B einschließlich des öffentlichen Anteils (Anlage 2)
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