Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss empfiehlt dem Rat die vorliegenden Richtlinien zur Gewährung wirtschaftlicher Erziehungshilfen im Rahmen der Bereitschaftspflege mit Wirkung ab dem 01.04.2012 zu beschließen
Sachverhalt: Die Richtlinien zur Gewährung wirtschaftlicher Erziehungshilfen außerhalb des Elternhauses für die Stadt Wermelskirchen, die am 01.10.2005 in Kraft getreten sind, weisen die Vergütung für Pflegeeltern auf, die ein Kind gem. § 33 SGB VIII in ihrem Haushalt aufgenommen haben. Es ist jedoch nicht geregelt, wie bei der Unterbringung in einer Bereitschaftspflegestelle zu verfahren ist. Andere Kommunen haben bereits eigene Richtlinien für Bereitschaftspflegestellen. Die erforderlichen Mittel wurden schon bei der Haushaltsplananmeldung im Vorgriff auf die Richtlinien berücksichtigt.
Definition der Bereitschaftspflege
Die Bereitschaftsbetreuung ist eine besondere Form der familiären Unterbringung in Ausgestaltung nach § 33 SGB VIII in speziell ausgesuchten, qualifizierten, begleiteten und bezahlten Betreuungsfamilien. Diese sind kurzfristig und ohne vorherige Planung bereit, für eine vorher bestimmte Dauer (in der Regel maximal drei Monaten - in Einzelfällen bis zu sechs Monaten) Minderjährige im Rahmen der Krisenintervention gem. § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen. Dies bedeutet sie zu versorgen, zu fördern und vertrauensvoll mit den entsprechenden Diensten zusammen zu arbeiten, bis die Zukunftsperspektive der/des Minderjährigen geklärt ist.
Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII „das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder 2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert….“ Bei Inobhutnahmen ist es unerlässlich, dass kurzfristig gehandelt wird und ein Kind oder ein Jugendlicher an einem sicheren Ort untergebracht werden kann.
Zielgruppe der Kinder
In Bereitschaftsbetreuungsfamilien werden Minderjährige aufgenommen, deren Versorgung in der eigenen Familie aufgrund einer akuten Not- oder Krisensituation nicht mehr gewährleistet ist. Die Unterbringung in einer Bereitschaftsbetreuungsstelle kann unter anderem erfolgen bei:
- Gefährdung durch körperliche/psychische Gewalt oder sexuellen Missbrauch - Vernachlässigung - Obdachlosigkeit - Überlastung der Eltern durch z.B. Trennungs- und Scheidungssituationen - Alkohol- oder Drogenabhängigkeit der Eltern - Klinik- oder Kuraufenthalt der Eltern oder eines Elternteiles - Psychische Erkrankung der Eltern oder eines Elternteiles
Nicht aufgenommen werden können:
- Minderjährige mit Suchproblematik - Minderjährige mit massiven psychischen Auffälligkeiten - Minderjährige mit massiver Fremd- und Eigengefährdung
Die Bereitschaftsbetreuung bietet:
- Krisenintervention und Schutz - Versorgung und Betreuung eines Kindes im eigenen Haushalt rund um die Uhr - Alltagsstrukturierung (Mahlzeiten, Schulbesuch, Hausaufgabenbetreuung, Körper- und Gesundheitspflege, Freizeitgestaltung) - Förderung des Sozialverhaltens (Vermittlung von Regeln, Normen und Werten) - Begleitung und Unterstützung bei persönlichen, medizinischen oder schulischen Angelegenheiten - ggf. Begleitung von Kontakten zur Herkunftsfamilie - Teilnahme an Hilfeplangesprächen nach Absprache
Zielgruppe Bereitschaftsbetreuungspersonen
Bereitschaftsbetreuungspersonen müssen vielfältigen Anforderungen gerecht werden. Voraussetzungen für diese Tätigkeit sind:
- Toleranz und Offenheit für andere Lebensbezüge und -vorstellungen - positive Einstellung aller im Haushalt lebenden Personen gegenüber der Bereitschaftsbetreuung - Flexibilität und Belastbarkeit - Konfliktfähigkeit und Konsequenz im Verhalten - Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion - Bereitschaft zur Kooperation mit der Herkunftsfamilie des Kindes und allen beteiligten Helfersystemen und Institutionen - Bereitschaft an Fortbildungen und Supervisionen teilzunehmen - Erfahrungen mit eigenen und fremden Kindern - ausreichend Wohnraum
Ausschlusskriterien
Ausschlusskriterien für die Bereitschaftsbetreuung sind:
- der Wunsch nach einem weiteren, dauerhaften Familienmitglied - fremd platzierte Kinder in der Familie, die weniger als 2 - 3 Jahre in der Familie leben - Berufstätigkeit der Bereitschaftsbetreuungsperson in Vollzeit - Personen mit fehlender Zuverlässigkeit - Familien, die selbst Empfänger von Jugendhilfe nach §§ 16-18, 20-35 oder 41 SGB VIII sind - Familien, die das Wohl des Kindes negativ beeinträchtigen könnten - Familien, die überwiegend aus finanziellen Gründen diese Tätigkeit ausführen wollen
Aufnahmeverfahren
Bei der Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII nimmt das Jugendamt die Herausnahme des Kindes aus seiner Herkunftsfamilie vor. Über die Aufnahme in der Bereitschaftspflegestelle entscheidet die/der zuständige Sozialarbeiter/in in Absprache mit der Sachgebietsleitung.
Tritt ein solcher Fall auf, wird für Minderjährige vorrangig geprüft, ob eine Bereitschaftspflegefamilie zur Verfügung steht, die zur Aufnahme des Kindes bereit ist. Steht keine Familie zur Verfügung oder erfordern es die Umstände, dass eine familiäre Betreuung nicht in Frage kommt, ist eine Unterbringung in einer Einrichtung vorübergehend erforderlich. Im nachfolgenden Hilfeplanverfahren wird geprüft, welche Hilfeform für die/den Minderjährigen bzw. für die Familie notwendig und geeignet ist.
Situation in Wermelskirchen
In den vergangenen Jahren kam es innerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Stadt Wermelskirchen wiederholt durch das Amt für Jugend, Bildung und Sport zu Inobhutnahmen von Minderjährigen. Zwischenzeitlich wurden auch Familien gefunden, die geeignet und bereit sind Minderjährige aufzunehmen. Als problematisch hat sich jedoch gezeigt, dass die monetäre Vergütung für diese verantwortungsvolle Tätigkeit nicht ausreichend ist, diese Familien für die Wahrnehmung der Tätigkeit dauerhaft zu gewinnen.
In den bisherigen Richtlinien zur Gewährung wirtschaftlicher Erziehungshilfen außerhalb des Elternhauses der Stadt Wermelskirchen wird kein Unterschied zwischen Dauerpflegefamilien und Bereitschaftspflegefamilien gemacht. Es wird daher empfohlen, die monetäre Vergütung der Bereitschaftspflegefamilien anzupassen.
Vorschlag
1. Eine eigene Richtlinie zur Gewährung wirtschaftlicher Erziehungshilfen für die Unterbringung von Kindern in einer Familiären Bereitschaftsbetreuung zu erstellen. 2. In der Bereitschaftspflegestelle wird für die ersten 42 Tage (6 Wochen) der dreifache Tagessatz des Pflegegeldes (materielle Aufwendungen und Erziehungsbetrag) gezahlt, der vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW (Bekanntgabe über den Landschaftsverband Rheinland) erlassen wird.
Gemäß dem derzeitig geltenden Erlass kommt es für die ersten 42 Tage zu folgenden Beträgen:
3. Ab dem 43. Tag wird nur noch der doppelte Tagessatz des Pflegegeldes gezahlt, der vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW erlassen wird.
Gemäß dem derzeitig geltenden Erlass kommt es ab dem 43. Tag zu folgenden Beträgen:
Bei kostenaufwendigen Erkrankungen der/des Minderjährigen (Inkontinenz, Laktoseintoleranz, etc.) kann laufend ein erhöhtes Pflegegeld gezahlt werden.
4. Bei Aufnahme einer/eines Minderjährigen wird ein Pauschalbetrag in Höhe von 200,00 € gezahlt. Dieser Betrag soll dazu verwendet werden, z.B. passende Bekleidung oder andere notwendige Sachen zu besorgen. In der Regel ist dies erforderlich, da die Kinder meist außer ihrer tatsächlichen Bekleidung nichts haben. Daher sind Pflegeeltern zu Beginn des Pflegeverhältnisses oft gezwungen, zunächst eine Grundausstattung für die Kinder anzuschaffen. Der Betrag erfolgt unmittelbar mit der ersten Auszahlung. Die Ausgaben des Pauschalbetrages müssen von der Pflegefamilie anhand von Quittungen belegt werden. Eine Erhöhung des Betrages kann nur in begründeten Ausnahmefällen mit schriftlicher Beantragung der Pflegefamilie gewährt werden. Sämtliche gekauften Sachen gehen unmittelbar in das Eigentum der/des Minderjährigen über.
Für den Fall, dass ein Kind, welches in Obhut genommen worden ist, in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht werden kann, würden sich die laufenden Kosten somit auf monatlich rd. 2.780,00 € (Altersgruppe 14-17 Jahre für die ersten 42 Tage und Pauschalbetrag) und anschließend auf monatlich 1.710,00 € belaufen. Im Vergleich entstünde bei einer stationären Unterbringung in einer Einrichtung Kosten von durchschnittlich täglich ca. 170,00 € zzgl. Bekleidung und Taschengeld verursachen, was monatlich ca. 5.200,00 € bedeutet. Hieraus ergäbe sich selbst bei dem höchsten Tagessatz (Altersstufe 14-17 Jahre) innerhalb der ersten 42 Tage noch eine Mehrbelastung von monatlich ca. 2.420,00 €.
Da es nicht ausschließlich um monetäre Aspekte geht, muss darüber hinaus dringend berücksichtigt werden, dass es sich in der Regel um Kinder handelt, die durch Deprivationserfahrungen (Vernachlässigung und fehlende „Nestwärme“ durch Mangel an engen Bezugspersonen) und Bindungsstörungen in einem hohen Maß belastet sind. Durch die Unterbringung in einer Familie wird eine schnellerer Vertrauensaufbau zu der Betreuungsperson ermöglicht, als ein einer Einrichtung (wechselnde Personen aufgrund Schichtdienst). Darüber hinaus wird durch die Unterbringung in einer Bereitschaftspflegefamilie geprüft, ob die/der Minderjährige auf Dauer in einer Pflegefamilie untergebracht werden kann oder es aufgrund seiner Vorgeschichte in eine Einrichtung aufgenommen werden muss.
Im Folgenden befindet sich eine vorgefertigte Richtlinie.
über die Gewährung von Pflegegeld innerhalb einer durchgeführten Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII in einer Bereitschaftspflegestelle
1. Ziel der Richtlinie Ziel dieser Richtlinie ist die Findung, Förderung und Aquärierung von Bereitschaftspflegefamilien.
2. Definition der Bereitschaftspflege Bereitschaftspflegestellen im Sinne dieser Richtlinie sind Familien, die Kinder in Notsituationen kurzfristig aufnehmen und so lange bei sich behalten, bis die weitere Perspektive des Kindes/Jugendlichen (Vollzeitpflege, stationäre Jugendhilfeeinrichtung oder Rückführung zu den Eltern) geklärt ist. Der Aufenthalt des Kindes/Jugendlichen in einer Bereitschaftspflegestelle kann sehr kurz oder bis zu maximal 6 Monaten dauern. Die Bereitschaftspflegestelle verfügt über ein möbliertes Zimmer für Minderjährige. Sofern keine Möbel vorhanden sind, kann vor Erstbelegung ein Betrag in Höhe von 660,00 € für Möbel (analog der aktuellen Richtlinie zur Gewährung wirtschaftlicher Erziehungsstellen außerhalb des Elternhauses) gewährt werden. Im Gegenzug verpflichtet sich die Bereitschaftspflegestelle lediglich Minderjährige aufzunehmen, die dort von der Stadt Wermelskirchen untergebracht werden.
3. Auszahlung des Pflegegeldes Das Pflegegeld wird stets im Voraus gezahlt. Die Auszahlung erfolgt jeweils am Ende des Vormonats.
4. Höhe des Pflegegeldes Bei der Höhe des Pflegegeldes wird wie folgt unterschieden: a) Die ersten 42 Tage a. Pflegegeld Der Bereitschaftspflegestelle wird für die ersten 42 Tage (6 Wochen) der dreifache Tagessatz des Pflegegeldes gezahlt, der vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW (Bekanntgabe über den Landschaftsverband Rheinland LVR) erlassen wird.
Gemäß dem derzeitig geltenden Erlass kommt es zu folgenden Beträgen:
Im Pflegegeld ist ein Erziehungsbetrag in Höhe von monatlich 219,00 € bzw. 7,30 € täglich enthalten, welcher von der Bereitschaftspflegestelle zu versteuern ist.
Bei kostenaufwendigen Erkrankungen der/des Minderjährigen (Inkontinenz, Laktoseintoleranz, etc.) kann laufend ein erhöhtes Pflegegeld gezahlt werden. Aufnahme- und Entlasstage werden jeweils als einzelne Tage berechnet.
b. Pauschalbetrag Neben der ersten Zahlung des Pflegegeldes wird ein einmaliger Pauschalbetrag in Höhe von 200,00 € gewährt. Dieser Pauschalbetrag hat die Finanzierung von Sonderbeschaffungen ausschließlich für das sich in Bereitschaftspflege befindende Kind sicherzustellen. Unter Sonderbeschaffungen ist insbesondere eine Grundausstattung von Bekleidung und Schulmaterial zu verstehen. Die Ausgaben der Sonderbeschaffungen sind anhand von Quittungen nachträglich zu belegen. Der Pauschalbetrag kann in besonderen Ausnahmefällen auf schriftlichen Antrag und mit Begründung bis zu einem Maximalbetrag von 500,00 € erhöht werden. Bei einem Wechsel der/des Minderjährigen in eine andere Pflegefamilie hat diese keinen erneuten Anspruch auf Zahlung des Pauschalbetrages. Dies gilt auch, wenn die Bereitschaftspflege in eine Vollzeitpflege nach § 33 bzw. § 41 i.V.m. § 33 SGB VIII umgewandelt wird.
b) Ab dem 43. Tag Die Bereitschaftspflegestelle erhält ab dem 43. Tag den doppelten Tagessatz des Pflegegeldes, der vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW (Bekanntgabe über den Landschaftsverband Rheinland LVR) erlassen wird.
Gemäß dem derzeitig geltenden Erlass kommt es zu folgenden Beträgen:
Beginnt der 43. Tag nicht an einem Ersten eines Monats, erfolgt die Zahlung des Pflegegeldes nur anteilig für den Restmonat.
Bei kostenaufwendigen Erkrankungen der/des Minderjährigen (Inkontinenz, Laktoseintoleranz, etc.) kann laufend ein erhöhtes Pflegegeld gezahlt werden. Aufnahme- und Entlasstage werden jeweils als einzelne Tage berechnet.
Bei der Berechnung von anteiligen Monaten werden stets durchschnittlich 30 Kalendertage pro Monat zu Grunde gelegt.
5. Laufende Sonderzahlungen Es können laufend Sonderzahlungen gewährt werden, wenn die/der Minderjährige unter einer kostenintensiven Krankheit (z.B. Inkontinenz, Laktoseintoleranz, etc.) leidet. Die Notwendigkeit wird vom Sozialen Dienst des Amtes für Jugend, Bildung und Sport überprüft.
6. Beendigung der Bereitschaftspflege Die Bereitschaftspflege endet mit Ablauf des Tages, an dem die/der Minderjährigen die Bereitschaftspflegefamilie verlassen hat oder die Hilfe in eine Vollzeitpflege nach § 33 bzw. § 41 i.V.m. § 33 SGB VIII umgewandelt wurde.
7. Pflegegeldrückzahlung nach Beendigung Überzahltes Pflegegeld ist an die Stadt Wermelskirchen zurückzuzahlen.
8. Eigentumsübergang nach Beendigung Die aus öffentlichen Mitteln im Rahmen der Bereitschaftspflege angeschafften Kleidungsstücke und sonstigen Sachen gehen in das unmittelbare Eigentum der/des Minderjährigen über. Diese sind der/dem Minderjährigen nach der Beendigung der Hilfe in der Bereitschaftspflegefamilie in geeigneter Weise mitzugeben. Rechtliche Grundlage für eine ungerechtfertigte Bereicherung ist das Bürgerliche Gesetzbuch (u.a. § 123, §§ 812 ff. BGB).
9. Generalklausel In begründeten Einzelfällen können ergänzende Entscheidungen zu den obigen Richtlinien getroffen werden.
9. Geltungsbereich und Inkrafttreten Diese Richtlinie gilt für stationäre Hilfen in Notsituationen gemäß § 20 SGB VIII entsprechend.
Diese Richtlinie tritt mit dem 01.04.2012 in Kraft.
Anlage/n:
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