Beschlussvorschlag: Der Rat der Stadt nimmt die Eingabe zur Kenntnis. Der Rat der Stadt beauftragt die Verwaltung - vor dem Hintergrund der bereits geschlossenen online-Petition - einen Appell im Sinne der Korbacher Resolution an die im Land zuständigen Ministerien (Wirtschaftsministerium und Umweltministerium) zu richten, um so die Bedenken und die Ablehnung der Stadt Wermelskirchen zum Fracking zu bekunden. Sachverhalt:
Antrag gemäß § 24 Gemeindeordnung NW Gemäß § 24 GO NW beantragen Herr Dr. Volker Thiele und Herr Prof. Dr. Erhard Mohr mit Schreiben vom 17. Juni 2013 die Behandlung des Themas "Energiewende ohne Fracking" im Rat der Stadt (siehe Anlage 1). Die Antragsteller haben in zahlreichen Städten und Gemeinden diesen Antrag gleichlautend gestellt. Zur Frage, ob sich der Rat mit dieser Eingabe beschäftigen sollte, hat der Städte- und Gemeindebund in NRW den Kommunen empfohlen, die Eingabe dem Rat vorzulegen und den Petenten zu bescheiden (Anlage 2).
Gemäß § 24 der Gemeindeordnung hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat oder die Bezirksvertretung zu wenden. Die Zuständigkeiten der Ausschüsse, der Bezirksvertretungen und des Bürgermeisters werden hierdurch nicht berührt. Die Erledigung von Anregungen und Beschwerden kann der Rat einem Ausschuss übertragen. Der Antragsteller ist über die Stellungnahme zu den Anregungen und Beschwerden zu unterrichten.
Mit dem Bürgerantrag weisen die Antragsteller auf die mit dem so genannten Fracking verbundenen Risiken bei der Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten hin und regen an, dass sich die Stadt Wermelskirchen bzw. deren politische Vertreter einer online-Petition (Anlage 3) zur Durchführung einer „Energiewende ohne Fracking“ anschließt.
Was ist die Korbacher Resolution? Am 4. und 5. Mai 2013 haben sich in Korbach Anti‐Fracking‐Initiativen aus Deutschland zur stärkeren Vernetzung und zum Erfahrungsaustausch getroffen. Folgende Forderungen richteten die Bürgerinitiativen gegen Fracking an Bund, Länder und die Europäische Union:
Das Verfahren Das Hydraulic Fracturing – kurz Fracking – ist eine Methode der geologischen Tiefbohrtechnik zur Erschließung von unkonventionellen[1] Gaslagerstätten in Kohle-, Ton- oder Schiefergestein. Bei dieser Technik wird mit unterschiedlichen Zusätzen angereichertes Wasser unter hohem Druck in die erdgashaltigen Gesteinsschichten verpresst. So entstehen Risse, die die Durchlässigkeit des Gesteins erhöhen und das Abströmen des Erdgases an die Oberfläche ermöglichen. Das angereicherte Wasser - die so genannten Frack-Fluide – enthält neben Sand und Keramikpartikeln zur Offenhaltung der Risse verschiedene Chemikalien, u.a. Biozide, Korrosionsschutzmittel, Säuren, Gelbildner und Tenside. Die jeweilige Zusammensetzung der Frack-Fluide richtet sich nach den vorhandenen geologischen Gegebenheiten.
Fracking in der Diskussion Der Einsatz der Fracking-Technologie in Deutschland ist in der Bevölkerung, Politik und größtenteils im wissenschaftlichen Bereich höchst umstritten und daher zurzeit bundesweit in der Diskussion.
Zu den befürchteten negativen Auswirkungen des Frackings zählen die Kontaminationen des Grund- und Trinkwassers, ein hoher Verbrauch an Wasser und Fläche, beträchtliche Verkehrs- und Lärmbelastungen und die Gefahr von Mikrobeben und Bergsenkungen. Insbesondere der Einsatz der zahlreichen umwelttoxischen Chemikalien, die zum Teil gar nicht bekannt sind, birgt erhebliche Risiken für die Schutzgüter Wasser, menschliche Gesundheit, Boden, biologische Vielfalt und Klima.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU)[2] hat im Mai 2013 eine Stellungnahme (Nr. 18) zum Thema “Fracking zur Schiefergasgewinnung“ vorgelegt und kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:
Der Landtag NRW hat am 15. Mai 2013 einen Entschließungsantrag der CDU-Fraktion angenommen, in dem die Erdgasgewinnung durch Fracking nach dem derzeitigen Stand der Technik abgelehnt wird. Eine Zulassung dieser Technologie soll erst dann erfolgen, wenn sie technisch ohne den Einsatz toxischer und wassergefährdender Stoffe möglich ist.
Das Präsidium des Städte‐ und Gemeindebundes hat am 27.06.2013 beschlossen:
Anpassungen der gesetzlichen Regelungen (insbesondere Bundesberggesetz, Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben und Wasserhaushaltsgesetz), die im 1. Halbjahr 2013 vorgesehen waren, stehen noch aus. Die Landesregierung NRW hat ein Moratorium erlassen, bis zur Klärung der Gefährdungsfragen Fracking nicht zu erlauben. Mit diesem Moratorium soll verhindert werden, dass Fracking faktisch erlaubt werden muss, weil die alte Gesetzeslage weiterhin gilt. Die besagt: - kein verpflichtendes Einvernehmen mit den Wasserbehörden - keine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung - kein Ausschluss von Fracking in Wasserschutzgebieten.
Sachstand zum Fracking in NRW Zurzeit findet in Nordrhein-Westfalen keine Erdgasgewinnung unter Einsatz der Fracking-Methode statt.
Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg als Bergbaubehörde in Nordrhein-Westfalen hat bisher 22 bergrechtliche Erlaubnisse zur Aufsuchung unkonventioneller Erdgaslagerstätten an verschiedene Firmen erteilt, die ca. 60 % der Landesfläche von Nordrhein-Westfalen betreffen (Karte, siehe Anlage 4); sieben Felder sind beantragt, aber Erlaubnisse sind noch nicht erteilt.
Diese Erlaubnisse berechtigen die Unternehmen, in dem jeweils beantragten Gebiet exklusiv Betriebsplanzulassungen für Bohrungen zur Aufsuchung von unkonventionellem Erdgas zu beantragen. Die Aufsuchungserlaubnisse dienen damit im Wesentlichen dem Schutz vor konkurrierenden Mitbewerbern an der Aufsuchung. Ob die Erlaubnislisten abschließend sind oder aufgrund des Moratoriums mögliche weitere Anträge für Erlaubnisse ruhen, ist derzeit nicht zu sagen.
Eine Gestattung für einen Eingriff zur Gewinnung des Erdgases ist mit der Erlaubnis nicht verbunden. Dazu bedarf es einer bergrechtlichen Bewilligung, die bisher in NRW nicht erteilt wurde und zurzeit auch nicht erteilt wird. Bisher liegen keine standortspezifischen Anträge auf Erteilung einer bergrechtlichen Bewilligung zur Gewinnung von Erdgas und keine konkreten Förderstrategien und bergrechtliche Bewilligungsanträge zur Erdgasgewinnung vor.
Situation Wermelskirchen Der Rheinisch-Bergische Kreis und die Stadt Wermelskirchen sind in der Karte der erteilten oder beantragten Erlaubnisfelder der Bezirksregierung Arnsberg nicht aufgeführt, die Bezirks-regierung Arnsberg hat für unsere Region keine Aufsuchungserlaubnisse erteilt. Aktuell ist Wermelskirchen damit nicht direkt betroffen. Unkonventionelle Erdgas-Lagerstätten in NRW werden jedoch auch im Rheinischen Schiefergebirge vermutet[3]. Wermelskirchen gehört zum Rheinischen Schiefergebirge; es ist deshalb nicht auszuschließen, dass zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Anträge auch für den Bereich um Wermelskirchen gestellt werden.
Da die online-Petition ab dem 8. November 2013 geschlossen wird, empfiehlt die Verwaltung, stattdessen einen Appell der Stadt Wermelskirchen im Sinne der Korbacher Resolution an die im Land zuständigen Ministerien (Wirtschaftsministerium und Umweltministerium) zu richten, um so die Bedenken und die Ablehnung der Stadt Wermelskirchen zum Fracking auszudrücken.
[1] Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten unterscheidet sich in der Zusammensetzung nicht von konventionellem Erdgas. Die Bezeichnung „unkonventionell“ bezieht sich lediglich auf die Lagerstätte, in der das Gas gespeichert ist. Bei konventionellen Vorkommen ist das Erdgas in gut durchlässigen Gesteinen enthalten. Die Vorkommen können ohne spezielle Bohrtechniken erschlossen und genutzt werden. Im Gegensatz hierzu muss bei der Förderung von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten erst das umliegende Gestein aufgebrochen (engl. fracturing) oder stimuliert werden, damit das im Gestein gebundene Erdgas entweichen und durch das Bohrloch an die Oberfläche strömen kann. Aufgrund dieser speziellen Bohrtechniken war die Gewinnung von Gas aus solchen Lagerstätten lange Jahre unwirtschaftlich. [2] Der Sachverständigenrat für Umweltfragen gehört zu den ersten Institutionen wissenschaftlicher Politikberatung für die deutsche Umweltpolitik. Er wurde 1972 von der Bundesregierung eingerichtet. Besondere Merkmale des SRU sind seine Interdisziplinarität und seine fachliche Unabhängigkeit. Er besteht aus 7 Professorinnen und Professoren mit besonderer Umweltexpertise, die unterschiedliche Fachdisziplinen vertreten. Diese werden von der Bundesregierung für vier Jahre ernannt. [3] Meiners, H. Georg et al.: Fracking in unkonventionellen Erdgas-Lagerstätten in NRW, 2012 – online im Internet: http://www.umwelt.nrw.de/umwelt/pdf/gutachten_fracking_nrw_2012.pdf
Anlage/n: Anlage 1: Eingabe gemäß § 24 GO NW Anlage 2: Schnellbrief Städte- und Gemeindebund Anlage 3: online-Petition Anlage 4: NRW-Karte Bergbauberechtigungen zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen
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