Beschluss: Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Aktualisierung / Anpassung der aus dem Jahr 2012 stammenden und gemeinsam im Rheinisch-Bergischen Kreis entwickelten Qualitätsstandards und die Anwendung im Allgemeinen Sozialen Dienst zur Kenntnis.
Der JHA nimmt zur Kenntnis, dass die aktualisierten Ergebnisse der strukturierten Prozessabläufe und definierten Qualitätsstandards als Planungsgrundlage für die Bemessung des Personalbedarfs des Allgemeinen Sozialen Dienstes herangezogen und grundsätzlich anerkannt werden.
Der JHA nimmt zur Kenntnis, dass der Personalbedarf des Allgemeinen Sozialen Dienstes künftig auf Basis der Kern- und Teilprozessbeschreibungen einschließlich der fachlich begründeten Standards und Regelungen mit Hilfe des sog. PeB Tools ermittelt wird. Sachverhalt: Gesetzlicher Auftrag und abzuleitende, grundsätzliche Fragestellung
„Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre (der Eltern) Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ (Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz; § 1 Abs. 2 SGB VIII). Der staatliche Wächterauftrag an das Jugendamt schafft eine zwingende Festlegung für das Handeln des Jugendamtes, insbesondere im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD).
Das Aufgabenvolumen der Jugendhilfe ist gerade in dem personal- und kostenintensiven Arbeitsbereich des ASD von Bedarfen abhängig, die durch die Gesetzeslage mit Rechtsansprüchen hinterlegt sind. Durch gesetzliche Änderungen sind qualitative Aufgabenmehrungen entstanden bzw. müssen in näherer Zukunft in die Praxis umgesetzt werden. Um dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden, muss der Allgemeine Soziale Dienst fachlich, finanziell und personell angemessen ausgestattet sein. Zudem ist die Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe eine Pflichtaufgabe gem. § 79a SGB VIII. Überdies erfordert die SGB VIII Reform nicht nur die Anpassung der bereits definierten Arbeitsprozesse aufgrund veränderter gesetzlicher Vorgaben, sondern auch ein verbindliches Verfahren zur Personalbedarfsermittlung (§ 79 Abs. 3 SGB VIII). Hier kommt zum Tragen, dass mit Einführung der neuen Software im Bereich Erzieherische Hilfen (LogoData) künftig die Integration des Berechnungsverfahrens zum Abgleich Soll/Stellenplan und Ist (PeB Tool) und die Ausweisung der entsprechenden Abweichungen möglich sein wird.
Qualitätsstandards zur fach- und sachgerechten Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
Um vergleichbare und übertragbare Qualitätsstandards definieren zu können, hat sich das Jugendamt der Stadt Wermelskirchen bereits im Jahr 2012 des vom Landesjugendamt Bayern entwickelten Verfahrens und Handbuchs und einer von IN/S/O entwickelten Software (PeB-Tool) bedient. Das Institut für Sozialplanung und Organisationsentwicklung (IN/S/O) in Essen hat im Jahr 2009 in Kooperation mit dem Bayerischen Landesjugendamt (Zentrum Bayern Familie und Soziales), dem Bayerischen Landeskreistag und der Stadt Nürnberg das Projekt „Personalbemessung der Jugendämter in Bayern (PeB)“ durchgeführt. Dieses Verfahren beinhaltet die grundlegenden Definitionen der wichtigsten fallbezogenen Leistungsbereiche und Kernaufgaben des Allgemeinen Sozialen Dienstes.
Aufgrund der Zeit, die seit der Beschreibung und Implementierung der Qualitätsstandards im ASD der Stadt Wermelskirchen vergangen ist und mit Blick auf die gesetzlichen Veränderungen, die aus der SGB VIII Reform im Jahr 2021 resultieren, wurden die Kernprozesse Ende 2021/Anfang 2022 neu beschrieben und angepasst:
Kernprozess 01: Eingang und Klärung Kernprozess 02: § 8a SGB VIII - Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Kernprozess 03: § 8 (3) SGB VIII Beratung von Kindern und Jugendlichen Kernprozess 04: § 16 SGB VIII Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie Kernprozess 05: §§ 17/18 SGB VIII Beratung und Unterstützung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung, bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts Kernprozess 06: § 18.3 SGB VIII Begleiteter Umgang Kernprozess 07: § 20 SGB VIII – Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen Kernprozess 08: §§ 27 ff SGB VIII - Hilfe zur Erziehung + andere hilfeplangesteuerte Leistungen (§§ 13 und 19 SGB VIII) Kernprozess 09: § 35a SGB VIII – Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung Kernprozess 10: §§ 41 + 41a SGB VIII – Hilfe für junge Volljährige Kernprozess 11: Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen Kernprozess 12: Mitwirkung in Verfahren vor dem Familiengericht Kernprozess 13: Anrufung des Familiengerichts im Kontext §§ 8a + 42 SGB VIII
Die Qualitätsstandards für die Kern- und Teilprozesse des ASD sind so übereinstimmend definiert. Hierbei wurden die Kern- und Teilprozesse im Bereich des Allgemeinen Sozialen Dienstes qualitativ und quantitativ bewertet und Auftrags-, Rüst- und Systemzeiten ermittelt. Auf der Basis einer genauen Information zum Bearbeitungsstand im Allgemeinen Sozialen Dienst waren die beteiligten bayerischen Jugendämter in der Lage, eine realistische Einschätzung zum Personalbedarf zu erlangen. Diese Qualitätsstandards bilden die qualitative Grundlage, um quantitative Aussagen zum Personalbedarf treffen zu können. Die ermittelten Erkenntnisse über Fallzahlen wurden einbezogen und die gesammelten qualitativen Ergebnisse durch die am Projekt teilnehmenden Jugendämter vergleichend betrachtet.
Qualitative Grundlagen der Personalbemessung
PeB Tool gliedert die Kernprozesse in Teilprozesse, die sich an den gegebenen Fallverläufen orientieren;
PeB Tool legt diesen Beschreibungen der Kern- und Teilprozesse Standards zugrunde, die sich aus den Vorgaben des Kinder- und Jugendhilferechts und anerkannten fachlichen Empfehlungen und Hinweisen ergeben;
PeB Tool beschreibt die zuzuordnenden Tätigkeiten, um diese Arbeitsprozesse auch unter detaillierter Berücksichtigung rechtlicher Verpflichtung zuverlässig zu gestalten;
PeB Tool benennt Zeitbudgets für diese einzelnen Tätigkeiten und bietet Berechnungsgrößen für die Häufigkeit einzelner Teilprozesse an;
PeB Tool berücksichtigt Arbeitszeiten, die nicht mit der Fallbearbeitung zusammenhängen, gleichwohl aber in der täglichen Praxis anfallen.
Ziel des Personalbemessungsprozesses war die Überprüfung der fachlichen Standards und Prozesse im Hinblick auf die Gewährleistung einer rechtssicheren Organisation und die Feststellung des erforderlichen Personalumfanges.
Das Institut für Sozialplanung und Organisationsentwicklung (INSO) unterscheidet die Bestandteile der Arbeitszeit in:
Klientenzeiten alle Tätigkeiten eines/r Fallverantwortlichen, die Kernprozessen und Teilprozessen zugeordnet werden,
Systemzeiten Alle Tätigkeiten, die nicht unmittelbar einem Fall zuzuordnen sind, aber systembedingt anfallen, wie Dienstbesprechungen, Fortbildungen, Studium von Fachzeitschriften, Rundschreiben, Supervision, Arbeitsgruppen, sozialräumliche Vernetzung und fallunabhängige Kooperation, kollegiale Beratung ohne eigenen Fall, Rufbereitschaft, Sicherstellung des Vier-Augenprinzips bei Kindeswohlgefährdung, Co-Beratung, Tätigkeiten im Vorfeld eines Kernprozesses,
Verteilzeiten Nicht vorhersehbare und ggf. unregelmäßig anfallende Tätigkeiten, wie Mitarbeit in Projekten, kollegiale Reflexion im Sinne von kurzfristigen Ad-Hoc-Beratungen die nicht in den Teilprozessen erfasst wird, Klientenkontakte ohne Zuständigkeit, Fehlbesuche, Bearbeitung von Beschwerden, Öffentlichkeitsarbeit, persönliche Verrichtungen etc. und
Rüstzeiten Personen- und arbeitsplatzbezogene Vor- und Nachbereitung, wie PC hochfahren, Personal- und Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungsgespräche.
Resümee
Abschließend kann festgehalten werden, dass folgende Punkte durch die Einführung des standardisierten Verfahrens erreicht werden:
Konsequenzen für das Sachgebiet Erzieherische Hilfen:
In der Vergangenheit wurde versucht, die Frage nach einer angemessenen Personalausstattung mit Verweis auf Richtwerte zu beantworten. Werte wie „eine Fachkraft auf 9.000 bzw. 10.000 Einwohner/innen“ (lange von der KGST vertreten) sind jedoch unzulänglich, da sie die unterschiedlichen Lebenssituationen der Einwohner nicht erfassen.
Andere Berechnungsmodelle versuchen einen Zusammenhang zwischen Fachkraft im ASD und den zu bearbeitenden Leistungsfällen (z.B. gewährte Erzieherische Hilfen nach § 27 SGB VIII) herzustellen. Dieser Ansatz wurde in den vergangenen Jahren von den Leitungen des ASD herangezogen. Auch eine solche Betrachtungsweise berücksichtigt nur unzureichend die Unterschiedlichkeit in den einzelnen Jugendämtern und stellt daher keine Vergleichbarkeit her. Das eigentliche Problem liegt in der fehlenden Verknüpfung zwischen fachlichen Standards und der Anzahl an Leistungsfällen pro Fachkraft. Wie viel Zeit und wie viele Prozessschritte für die Bearbeitung eines Falls erforderlich sind, wird durch den fachlichen und rechtlichen Standard bestimmt.
Inwieweit die Personalausstattung sach- und fachgerecht ist, bzw. einer Anpassung bedarf, wird sich nach Abschluss der Vorarbeiten und Inbetriebnahme des PeB Tools zeigen.
Nur eine Umsetzung dieser Maßnahmen sichert eine verantwortungsbewusste, fachgerechte und auf das Wohl des Kindes zugeschnittene Aufgabenwahrnehmung.
Aus Sicht der Verwaltung besteht somit keine Alternative zum Beschlussvorschlag, um den gesetzlichen Vorgaben zu genügen sowie Kindeswohlgefährdung und Steigerung von Folgekosten entgegen zu wirken.
Anlage/n:
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