Vorlage - 0073/2022  

 
 
Betreff: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vom 11.11.2021 "Natürlicher Waldaufbau"
Status:öffentlich  
Verfasser:H. Drescher
Federführend:Tiefbauamt Bearbeiter/-in: Drescher, Harald
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umwelt und Bau Entscheidung
30.03.2022 
Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Bau (offen)   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Finanzielle Auswirkungen
Anlagen:
Lageplan Naturwaldzelle WK Nord  

Beschluss:

 

Der Ausschuss für Umwelt und Bau nimmt den Sachstandsbericht der Verwaltung zur Kenntnis und beschließt:

 

1.  Die Stadt wird gemeinsam mit dem zuständigen Revierförster geeignete Flächen heraussuchen, um dort eine Naturverjüngung zu ermöglichen.

 

2. Der Verbleib von Totholz auf den Flächen wird im Grunde schon seit vielen Jahren erfolgreich im Wermelskirchener Stadtwald durchgeführt und wird zukünftig weiterhin angewendet.

 

3. Es wird eine Naturwaldzelle in Wermelskirchen gemäß der in Anlage 1 dargestellten  Fläche ausgewiesen. Diese Fläche wird damit aus der Nutzung herausgenommen.


Sachverhalt:

 

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 11.11.2021, „Natürlicher Waldaufbau“, wurde in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Bau am 23.11.2021 eingebracht (siehe Vorlage 0279/2021).

 

Der Antrag beinhaltet folgende Beschlussvorschläge:

 

  1. Die Stadt Wermelskirchen soll geeignete kommunale Waldflächen mit abgestorbenem Fichtenbestand sich selbst überlassen für eine natürliche Waldentwicklung, wenn dies durch Absaat umliegender Laubbäume möglich ist.

 

  1. Zur Erhöhung der Biodiversität soll eine ausreichende Menge an Totholz auf der Fläche verbleiben.

 

  1. 5% der kommunalen Waldfläche sollen als Naturwaldzelle ausgewiesen und damit aus der Nutzung genommen werden.

 

 

Allgemeines:

 

Die Verwaltung der Stadt Wermelskirchen und der zuständige Revierförster haben in den letzten Jahren im Ausschuss für Umwelt und Bau mehrfach die aktuelle Situation des hiesigen Stadtwaldes vorgestellt. Hierbei wurde deutlich, dass die allgemein bekannte Klimaveränderung und die letzten trockenen Jahre zu erheblichen Veränderungen durch Kalamitäten geführt haben. Daher ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen die Thematik „natürlicher Waldaufbau“ bzw. klimastabile Beförsterung als wichtiges Ziel erkennt.

 

Wie bereits durch den Revierförster wiederholt vorgetragen wurde, sind für eine naturgemäße und zukunftsorientierte Waldpflege verschiedene fachliche Maßnahmen erforderlich. Erst durch Pflegeeingriffe werden Mischbaumarten erhalten und können sich dadurch in natürlicher Qualität entwickeln.

 

Durch gezielte Pflanzung von weiteren Baumsorten (neben den hiesigen vorhandenen Sorten Buche und Eiche) kann z.B. durch Weißtanne und Winterlinde der Wald wieder aktiv an den Klimawandel angepasst werden.

 

Zu 1:

 

In den Jahren 2018 bis 2021 erlitt der deutsche Fichtenbestand einen erheblichen Verlust durch Trockenheit und anschließenden Borkenkäferbefall. Die Aufarbeitung der Fichtendürrstände erfolgt aktuell deutschlandweit und ist auch in einigen Teilen weitestgehend abgeschlossen.

In vielen Fällen werden diese entstandenen Freiflächen der natürlichen

Sukzession überlassen. Grundsätzlich weisen diese Freiflächen in den Anfangsjahren häufig starken Brombeerbewuchs auf.

 

Bei den meisten Fichtenflächen funktioniert die angedachte, diverse Naturverjüngung nicht, da hier automatisch die Fichte dominiert und eine Verjüngung ausschließlich mit den vorhanden jungen Fichtensämlingen stattfindet. Um eine Diversität zu ermöglichen und auch für die Zukunft zu erzielen, müssten zusätzliche Anpflanzungen durchgeführt werden, um die Fichte als alleinige Hauptbaumart zu verhindern.

 

Verwaltungsvorschlag 1:

 

Die Stadt wird gemeinsam mit dem zuständigen Revierförster und der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) geeignete Flächen heraussuchen, um dort eine Naturverjüngung zu ermöglichen.

Dies geschieht in Abhängigkeit der örtlichen Lage zum angrenzenden, vorhandenen Waldbestand.

 

 

Zu 2:

 

Totholz ist im Wald als Lebensraum für zahlreiche Lebewesen und als Nährstofflieferant für den Boden wichtig. Es speichert außerdem Feuchtigkeit und wirkt somit kühlend auch an heißen Sommertagen. Ergänzend ist anzumerken, dass Totholz sowohl stehend als auch liegend unterschiedliche ökologische Funktionen übernehmen kann. Liegendes Totholz ist ungefährlich (außer Brandgefahr) und ökologisch sehr positiv zu bewerten, stehendes Totholz ist für eine vielfältige Fauna sehr wichtig aber in der Nähe von Wanderwegen anders zu betrachten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema beschreiben sogar unterschiedliche Vorgaben, welche Mengen von Totholz für eine ausgewogene Ökologie notwendig sind. Dies ist jedoch aufgrund der unterschiedlichen Funktionen und Lagen unserer heimischen Wälder nicht immer durchführbar.

 

Verwaltungsvorschlag 2:

 

Der Verbleib von Totholz auf der Fläche ist bereits seit geraumer Zeit Bestandteil der naturgemäßen Waldwirtschaft. Dieses Prinzip wird im Grunde schon seit vielen Jahren erfolgreich im Wermelskirchener Stadtwald durchgeführt und wird zukünftig weiterhin angewendet.

 

 

 

Zu 3:

 

Als Naturwaldreservat (NWR) werden Waldgebiete ausgewiesen, in denen die Entnahme von Holz und sonstige forstwirtschaftliche Nutzungen untersagt sind. Für die Reservate werden länderspezifisch unterschiedliche Bezeichnungen verwendet: Naturwaldreservat, Naturwald, Naturwaldzelle, Naturwaldparzelle, Bannwald, Totalreservat, Prozessschutzfläche. In Nordrhein-Westfalen wird das NWR als „Naturwaldzelle“ bezeichnet.

 

Ein Naturwaldreservat wird im Wesentlichen der natürlichen Entwicklung überlassen, so dass im Idealfall nach längerer Zeit wieder urwaldähnliche Strukturen entstehen. Ihre Ausweisung ist neben Naturschutz an sich in erster Linie von wissenschaftlichem Interesse. Es wird versucht, alle wichtigen Waldtypen in Reservaten repräsentiert zu haben.

Im Zusammenhang mit der Frage nach der natürlichen Waldentwicklung ohne Eingriffe des Menschen hat die Wissenschaft vorgeschlagen, von allen Waldgesellschaften glichst naturnahe Teile zwischen etwa 5 bis 20 Hektar Größe als so genannte „Naturwaldzellen“ auszuscheiden, die von jeder wirtschaftlichen Nutzung ausgenommen und u.a. als Forschungs- und Demonstrationsobjekte dienen können.

 

Das Thema Naturwaldzellen ist in NRW bereits auf 75 Flächen durchgeführt worden. So betreibt Wald & Holz NRW schon zielgerichtet Ansätze zur wissenschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrachtung und Untersuchung.

 

Wald & Holz NRW untersucht periodisch die Entwicklung jeder Naturwaldzelle über einen langen Zeitraum hinweg und gewinnt somit wertvolle Erkenntnisse für die Waldökologie und die forstliche Praxis in diesen Wäldern.

 

 

Praxisbericht von Herrn Altinkamis (Revierförster Holzkontor):

 

(Die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse basieren aus den letzten Praxisjahren von Herrn Altinkamis und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.)

 

Aus ökonomischer Sicht lässt sich sagen, dass eine generelle Einstellung von Pflege- und sonstigen Maßnahmenr den Wirtschaftswald nicht zielführend ist. Zwar gedeiht der Wald selbstverständlich auch ohne menschliches Zutun, jedoch hat sich gezeigt, dass Maßnahmen wichtig sind, um Mischbaumarten zu halten. Insbesondere der Wegfall von Lichtbaumarten wie der Eicherde eine wichtige Einkommensquelle schließen. Eine betriebliche Zielsetzung, welche von vornherein zentral auf die Buche ausgelegt ist, mag durch den Baumartenwegfall weniger beeinflusst sein.

Allerdings hat sich beim Flächenbegang gezeigt, dass es insbesondere Zwieseln und ähnlich veranlagten Bäumen häufig gelingt, sich gegenüber ihren Artgenossen durchzusetzen. Somit fällt ein großer Teil der Wachstumsressourcen auf Individuen, bei denen das Wachstum keine optimale Wertgenerierung erzeugt. Da die Eiche bzw. spezifischer die Trauben-Eiche über eine große Trockenheitstoleranz verfügt, ist ihr Wegfall auch im Rahmen der Risikostreuung im Zuge des Klimawandels als großer Verlust anzusehen. Die Bewertung der Ergebnisse aus ökologischer Sicht bzw. aus Sicht des Naturschutzes ist indes schwieriger zu treffen. Durch den Wegfall der Lichtbaumarten werden selbstverständlich auch die Arten ihrer Lebensgemeinschaften verschwinden, was zwangsläufig zu einer Verringerung der Biodiversität führt. Natürlich lässt sich hierbei feststellen, dass reine bzw. annähernd reine Buchenwälder die natürliche Waldgesellschaft für dieses Gebiet darstellen und somit eine Rückführung in diesen Zustand als erstrebenswert anzusehen ist.

 

Im Rahmen der Untersuchung hat sich gezeigt, dass Naturwaldzellen über ein enormes Veränderungspotential verfügen. Sowohl die Hypothese „Der Vorrat wird mit fortschreitender Dauer der Nutzungseinstellung steigen“, als auch die Hypothese „Die Baumartenzusammensetzung wird sich zugunsten der Buche verschieben“nne bestätigt werden. Trotz des über Jahre andauernden Wegfalls einzelner starker Bäume, ist es dem Gesamtbestand trotz dessen immer wieder gelungen, diese Verluste zu kompensieren. Der Buche gelingt es insbesondere beim Nicht-Derbholz ihre Stellung soweit auszubauen, dass Lichtbaumarten, wie z.B. die Eiche, über keine Chance auf eine Beteiligung in der nächsten Bestandsgeneration verfügen. Es lässt sich daher prognostizieren, dass im Folgebestand wenige bis gar keine Lichtbaumarten mehr vertreten sein werden. Aus ökonomischer Sicht ist daher eine weitgehende Einstellung von Pflegemaßnahmen etc. für Wirtschaftsflächen nicht angeraten, da der Baumartenverlust zum einen den Verlust wichtiger Einkommens­quellen bedeutet und zum anderen dem Ziel der großen Risikostreuung im Rahmen des Klimawandels zuwiderläuft. Die Bewertung dieser Ergebnisse aus Naturschutzsicht, also das Abwägen zwischen natürlicher Waldgesellschaft und dem Verlust von Baumarten, muss am Ende jeder für sich selbst treffen.“

 

 

 

 

 

Verwaltungsvorschlag 3:

 

Aufgrund der Erfahrungen des Revierförsters kann die Ausweisung einer Naturwaldzelle in Wermelskirchen erfolgen. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass in einigen Bereichen, in denen Fichtenbestand war, einige Laubbäume mit angepflanzt werden. Der nördliche Bereich von Wermelskirchen bietet sich aktuell hierfür an. In der Anlage 1 ist dargestellt, welcher Bereich hier möglicherweise in Frage kommen würde. Dieser Bereich eignet sich, da südlich und nördlich dieser Fläche Laubbereiche schon als Mischwald vorhanden sind. Im mittleren Bereich befindet sich ein reiner Fichtenbestand, angrenzend auch Laubwald, sodass in einzelnen Bereichen evtl. Nachpflanzungen erforderlich wären. Ansonsten wäre dies eine gute, erste Naturwaldzelle, die für Wermelskirchen ausgewiesen werden könnte.

Die Verwaltung schlägt daher vor, diese Fläche aus der Nutzung herauszunehmen.

 

 

 


Anlage/n:

 

Lageplan Naturwaldzelle WK Nord
 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Lageplan Naturwaldzelle WK Nord (1459 KB)      

 

Finanzielle Auswirkungen:

x

Ja

 

Nein

Finanzielle Absicherung der Ausgaben bei:

 

Gesamtkosten der Maßnahme (Beschaffungs-/ Herstellungskosten einschl. MWSt.)

Zur Verfügung stehende Mittel: Ansatz, Ausgaberest

Verpflichtungsermächtigung

    EUR

    EUR

    EUR

hrliche zusätzliche Folgekosten:

    EUR

 

Keine

Der Betrag steht haushaltsmäßig in voller Höhe zur Verfügung: (bei Nein: Stellungnahme der Kämmerei erforderlich)

 

 

Ja

 

Nein

Auswirkungen auf das Haushaltssicherungskonzept: (bei Ja: Stellungnahme der Kämmerei erforderlich)

 

 

Ja

 

Nein

Wenn Ja, welche: