Beschluss:
Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Sachstandsbericht zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Nach jahrzehntelanger Diskussion um das "Ob" und das "Wo" einer Gesamtzuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe für alle junge Menschen bis 27 Jahre mit (drohenden) Behinderungen, hat das Kinder und Jugendschutzgesetz (KJSG) die Grundlage für eine Zusammenführung dieser Leistungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe geschaffen.
Damit entfällt die bisherige Aufteilung der Zuständigkeit zwischen den Trägern der Jugendhilfe und den Trägern der Eingliederungshilfe. Die Kinder- und Jugendhilfe ist, vorbehaltlich des Inkrafttretens eines entsprechenden Bundesgesetzes, künftig für alle jungen Menschen zuständig. Hierbei ist es dann unerheblich, ob eine Behinderung droht oder vorliegt. Auch spielt es keine Rolle, um welche Behinderung es sich im Einzelfall handelt.
Das KJSG beschreibt ein Drei-Stufen-Modell zur Umsetzung:
1. Stufe Ab 10.06.2021: Verankerung der inklusiven Ausrichtung im SGB VIII (§§ 1, 7, 8a, 8b, 9, 11, 22 f., 77, 78a, 79a, 80 SGB VIII)
Schnittstellenbereinigung zur Eingliederungshilfe im SGB IX (§ 10a Abs. 3 SGB VIII, §§ 117, 119 SGB IX; § 36b Abs. 2 SGB VIII)
2. Stufe Ab 01.01.2024: Einführung des Verfahrenslotsen (§ 10b SGB VIII)
3. Stufe Ab 01.01.2028: Gesamtzuständigkeit der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für alle jungen Menschen mit oder ohne Behinderungen
Inkrafttreten eines Bundesgesetzes ab 01.01.2027, welches die nähere Ausgestaltung der inklusiven Lösung regelt.
(Quelle: Empfehlung zur Umsetzung des Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter, beschlossen auf der 133. Arbeitstagung 23.-25.11.2022)
Situation in Wermelskirchen
1. Stufe Seit 2021 wird im Bereich des Jugendamtes Wermelskirchen im Falle eines Antrags auf Eingliederungshilfe aufgrund einer drohenden seelischen Behinderung (> IQ 70) abgefragt, ob weitere Hilfen bereits bei anderen Reha-Trägern (z. B. Kreissozialamt, Krankenkassen, Bundesagentur f. Arbeit, gesetzl. Unfall- und Rentenversicherungen etc.) aufgrund einer körperlichen oder seelischen (< IQ 70) Behinderung beantragt wurden.
In diesen Fällen kommt es mit der Zustimmung der Familie zu einer Zusammenarbeit in Form eines Gesamtplanverfahrens, um die Hilfen aufeinander abzustimmen.
2. Stufe Zum 01.01.2024 tritt § 10b SBG VIII in Kraft und garantiert Kindern, Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen, die Leistungen der Eingliederungshilfe geltend zu machen, einen Rechtsanspruch auf die Unterstützung und Begleitung durch einen Verfahrenslotsen.
Dieser soll einerseits junge Menschen, die wegen einer (drohenden) Behinderung einen möglichen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, sowie deren Personensorge- und Erziehungsberechtigte bei der Antragsstellung, Verfolgung und Wahrnehmung der entsprechenden Leistungen unterstützen und begleiten (Lotsenfunktion).
Dabei endet die Begleitung des Verfahrenslotsen nicht mit dem Leistungsbescheid, sondern kann grundsätzlich auch während der Leistungsgewährung - ggfs. auch mehrere Jahre - dauern.
Andererseits soll der Verfahrenslotse bei der Umsetzung der inklusiven Lösung das Jugendamt bei der Zusammenführung der Eingliederungshilfe in seiner Zuständigkeit strukturell unterstützen.
(Vgl.: Empfehlung zur Umsetzung des Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII der Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter, beschlossen auf der 133. Arbeitstagung 23.-25.11.2022)
Stelle Verfahrenslotse in Wermelskirchen Ab 01.01.2024 wird die Stelle eines Verfahrenslotsen in Wermelskirchen mit einem Anteil von 0,5 VZÄ eingerichtet. Der Verfahrenslotse wird der Amtsleitung als Stabsstelle direkt unterstellt. Folglich unterliegt er zwar dienst- und arbeitsrechtlich einer Weisungsgebundenheit, ist aber in Bezug auf die Aufgaben auf Einzelfallebene gem. § 10b Abs. 1 SGB VIII fachlich weisungsungebunden.
Die Anforderungen an den Verfahrenslotsen sind sehr hoch, da der gesetzliche Auftrag multiprofessionelle Kompetenzen insbesondere aus den Bereichen Recht, Inklusion und Teilhabe, Soziale Arbeit, Verwaltung und Administration sowie auch der (barrierefreien) Kommunikation, Gesprächsführung und Beratung verlangt (vgl.: Impulse 10/2022, AFET - Bundesverband für Erziehungshilfe e.V.).
Daher erfordert das Stellenprofil ein breites Spektrum an Berufserfahrungen aus nahezu allen Bereichen der Jugendhilfe. Zusätzlich muss sich der Stelleninhaber in die Bereiche des SGB IX einarbeiten.
Darüber hinaus ist es ebenfalls unabdingbar, dass die Person eine gewisse Lebenserfahrung vorweisen kann, da die Unterstützungsanforderungen der Zielgruppe (Familien mit Kindern bis zum Übergang Schule/Beruf) alle Lebenssituationen, in der die Familien einen Anspruch auf Unterstützung haben, betreffen.
Auch besteht für den Verfahrenslotsen gemäß § 10b Abs. 2 S. 2 SGB VIII in halbjährlichen Abständen eine Berichtspflicht. Insbesondere soll über Erfahrungen der strukturellen Zusammenarbeit mit anderen Stellen, öffentlichen Einrichtungen sowie mit anderen Rehabilitationsträgern berichtet werden.
3. Stufe Ab dem 01.01.2028 ist die Gesamtzuständigkeit der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für alle jungen Menschen mit oder ohne Behinderungen verpflichtend.
Näheres über den leistungsberechtigten Personenkreis, Art und Umfang der Hilfen, Kostenbeteiligung und das Verfahren soll ein Bundesgesetz auf der Grundlage einer prospektiven Gesetzesevaluation bestimmen. Problematisch stellt sich hier die mangelnde Sicherheit durch das spätere Inkrafttreten eines Gesetzes, das die konkreten Inhalte der Leistungsgewährung regelt, dar.
Mit Einführung der Stelle des Verfahrenslotsen wird ein weiterer Schritt zur inklusiven Lösung bei der Zusammenführung der Eingliederungshilfe in Zuständigkeit des Jugendamtes umgesetzt.
Anlage/n:
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