Beschluss:
Die Verwaltung setzt den Haupt- und Finanzausschuss über die Thematik der Beschränkung von Wahlwerbung in Kenntnis.
Sachverhalt:
Seitens einiger politischen Fraktionen in Wermelskirchen wird eine Beschränkung der Wahlwerbung gewünscht und eine Änderung der Wahlwerbungssatzung diskutiert und abgestimmt. Um die Thematik rechtssicher behandeln zu können und noch vor der Europawahl in diesem Jahr eine etwaige Änderung der Wahlwerbungssatzung der Stadt Wermelskirchen vornehmen zu können, hat die Verwaltung eine rechtliche Prüfung beauftragt.
Die Satzung der Stadt Wermelskirchen zur Verfahrensregelung der Wahlsichtwerbung im öffentlichen Verkehrsraum vom 12.03.2020 (Wahlwerbungssatzung) sieht keine mengenmäßige Beschränkung der Wahlsichtwerbung für die politischen Parteien vor. Reglementiert werden lediglich die Art oder bestimmte Orte zur Anbringung von Wahlwerbung, beispielsweise kein Anschlagen von Plakaten mit Nägeln, kein Anbringen an Verkehrszeichen, sowie für Aufsteller zum Beispiel die Freihaltung von Restbreiten auf Gehwegen.
Die politischen Fraktionen haben nun diskutiert, eine mengenmäßige Beschränkung der Wahlwerbung per Satzung zu regeln. Danach sollen jeder politischen Gruppierung und jedem Einzelbewerber, unabhängig von der jeweiligen Wahl, in jedem Stimmbezirk eine bestimmte Anzahl an Plakatstandorten zustehen. Wermelskirchen ist in 24 Stimmbezirke mit insgesamt rund 28.000 Wahlberechtigten (unterschiedlich je nach Wahl) aufgeteilt.
Rechtliche Bewertung:
Die rechtliche Prüfung hat ergeben, dass der angedachten Änderung der Wahlwerbungssatzung starke rechtliche Bedenken entgegenstehen.
Grundsätzlich sind den politischen Parteien und Gruppierungen umfassende Wahlwerbemöglichkeiten einzuräumen, die alle Wählerinnen und Wähler im Stadtgebiet erreichen. Die Stadt kann die Wahlwerbung aus zwei Gründen einschränken. Zum einen im Sinne der Verkehrssicherheit. Hier sind in der bestehenden Satzung zu den Standorten bereits Beschränkungen eingearbeitet. Eine mengenmäßige Beschränkung aus Gründen der Verkehrssicherheit ist dabei rechtlich nicht möglich. Hier können lediglich einzelne Standorte, zum Beispiel in Kreuzungsbereichen, an Verkehrszeichen oder an Unfallhäufungspunkten, ausgeschlossen werden.
Die zweite Möglichkeit der Einschränkung der Wahlwerbung besteht dann, wenn die Stadt eine Verschandelung oder Verschmutzung des Stadtbildes befürchtet. Vorausgesetzt, man würde dies annehmen, muss diese Einschränkung angemessen sein, um dennoch eine ausreichende und wirksame Wahlwerbung zu ermöglichen. Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Thematik zwar auseinandergesetzt, es wurden aber keine allgemein gültigen Maßstäbe festgesetzt, ab wieviel Plakaten die Einschränkung der Wahlwerbung noch rechtmäßig ist bzw. ab welcher Anzahl sie rechtswidrig ist. Zumeist kommt es eben auf den Einzelfall an. Anerkannt für Großstädte ist die Beschränkung der Wahlwerbung auf einen Aufstellort je 100 Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist aber im Verhältnis von Einwohnern und Fläche in Wermelskirchen nicht mit der einer Großstadt zu vergleichen. Insofern kann dann effektive und umfassende Wahlwerbung nicht mehr sichergestellt werden, da die Wahlwerbung aufgrund der geringeren Bevölkerungsdichte auch von weniger Einwohnern bzw. Wählern wahrgenommen werden kann.
Im Ergebnis sprechen die Bevölkerungsdichte und die Flächenstruktur der Stadt Wermelskirchen gegen eine mengenmäßige Beschränkung der Wahlwerbung. Sinnhaft erscheint es hier auch nicht, dann eben von einem Standort je Stimmbezirk auf zwei oder drei Standorte zu erhöhen. Dann läge eine solche Beschränkung zwischen 350 (1 Werbemöglichkeit je Stimmbezirk), 700 (2 Werbemöglichkeiten je Stimmbezirk) und 1050 (3 Werbemöglichkeiten je Stimmbezirk) Standorten, was deutlich von dem Vorschlag und der Intention der Politik abweicht.
Rechtlichen Bedenken begegnet die Beschränkung der Wahlwerbung zusätzlich dahingehend, dass es sich um eine pauschale Reglementierung für alle Parteien handelt. Die Verteilung von Werbestandorten muss die Größe der Parteien berücksichtigen, weil durch eine formale Gleichbehandlung der Parteien in der öffentlichen Wahrnehmung ein verfälschender Eindruck der politischen Größenverhältnisse entstehen würde (Prinzip der abgestuften Chancengleichheit).
Empfehlung der Verwaltung an die politischen Gremien:
Die Verwaltung empfiehlt dem Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Wermelskirchen von einer Änderung der Wahlwerbungssatzung zur mengenmäßigen Beschränkung der Wahlsichtwerbung abzusehen und die bisherigen Regelungen zu belassen.
Zum einen ist die Beschränkung auf einen Standort je Stimmbezirk nicht zulässig, da Wermelskirchen von seiner Bevölkerungsdichte und seiner Flächenstruktur nicht mit einer Großstadt zu vergleichen ist. Es müsste eine detaillierte Einzelfallprüfung erfolgen, ob zwei, drei oder mehr Standorte verhältnismäßig sind, wobei hier die Anzahl der Standorte derart heraufgesetzt würde, dass die ursprüngliche Intention der Politik konterkariert würde.
Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine pauschale Beschränkung die erforderliche abgestufte Chancengleichheit nicht wahrt, da die Größe der jeweiligen Parteien nicht berücksichtigt wird. Daher müsste eine Abstufung erfolgen.
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