Beschlussvorschlag: Der Rat
der Stadt hebt seinen Beschluss vom 12.04.2010 zum dortigen Tagesordnungspunkt
3 „Beteiligung der BEW (Bergische Energie- und Wasser-GmbH an einer Gasvertriebsgesellschaft“
auf. Sachverhalt: Gemäß § 54 Abs. 2 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen
hat der Bürgermeister einen Beschluss des Rates zu beanstanden, wenn dieser das
geltende Recht verletzt. Dem Bürgermeister steht kein Ermessen zu, wenn die
Rechtsverletzung sich unmittelbar aus dem Beschluss ergibt, sondern er ist
verpflichtet, diesen zu beanstanden. In der Sitzung am 12.04.2010 hat der Rat der Stadt zu
Tagesordnungspunkt 3 „Beteiligung der BEW (Bergische Energie- und
Wasser-GmbH an einer Gasvertriebsgesellschaft“ folgenden Beschluss
gefasst: „Der Rat der Stadt stimmt der Beteiligung der BEW
(Bergische Energie- und Wasser-GmbH) an einer Gasvertriebsgesellschaft mit 31
Stimmen (17 CDU, 10 SPD, 4 WNK UWG) gegen 22 Stimmen (10 Bürgerforum, 5 FDP, 3
WNK UWG, 3 Bündnis 90/Die Grünen, 1 Herr Rainer Schneider) bei 8 Enthaltungen (4
FDP, 2 Bündnis 90/Die Grünen, 2 WNK UWG) zu. (…)“ Wie bereits in der Beschlussvorlage
„RAT/1865/2010“ ausgeführt, verletzt dieser Beschluss das geltende
Recht aus den dort genannten Gründen, die im Folgenden nochmals zusammengefasst
werden: 1. Die Beteiligung der BEW an dem
Unternehmen „rhexx“ unterfällt nicht unmittelbar dem
Anwendungsbereich des § 107 Abs. 1 GO NRW, weil sich die Stadt
Wermelskirchen „nur“ an einem Unternehmen mit einer Kapitaleinlage
beteiligt und sich insoweit als Kommune nicht selbst wirtschaftlich betätigt. Eine Gemeinde darf sich gemäß
§ 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW jedoch nur dann an einem
Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts beteiligen, wenn dieses
Unternehmen seinerseits die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 S. 1 GO
NRW erfüllt. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der Beteiligung der Stadt
Wermelskirchen an der BEW erfüllt. Die BEW als Regionalversorgerin für Strom,
Gas und Wasser erfüllt unproblematisch die Voraussetzungen des § 107 Abs.
1 S. 1 GO NRW. Die Stadt Wermelskirchen würde sich
an dem Unternehmen „rhexx“ nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar
über ihre Beteiligung an der BEW beteiligen. Die Vorschrift des § 108
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NRW dürfte aufgrund der Verweisung in § 108
Abs. 5 S. 1, 2. Spiegelstrich GO NRW gleichwohl anwendbar sein. Allerdings kann
die Aufsichtsbehörde gemäß § 108 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 5 S. 2 GO NRW
Ausnahmen zulassen. Wir gehen im Folgenden von der Anwendbarkeit von § 108 Abs.
1 S. 1 Nr. 1 GO NRW aus. 2. Dies bedeutet, dass das Unternehmen
„rhexx“ (gemäß § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 -
ein
dringender öffentlicher Zweck erfordert die wirtschaftliche Betätigung (a); -
die
Betätigung muss nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur
Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen (b). a) Die Rechtsprechung führt stets eine negative
Definition des Begriffes „öffentlicher Zweck“ an, indem sie sagt,
dass er jedweden im Aufgabenbereich der Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang
umfasse und nur die Gewinnerwirtschaftung ausschließe. vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 01.04.2008 Die rechtswissenschaftliche
Literatur bemüht sich demgegenüber um eine positive Definition. Es werden
hierzu verschiedene Auffassungen vertreten, ohne dass eine „herrschende
Meinung“ klar erkennbar wäre. Grundsätzlich wird den Kommunen bei der
Bestimmung des zu verfolgenden öffentlichen Zweckes ein nicht unerheblicher
Ermessensspielraum eingeräumt. Allerdings könne nicht jeder denkbare
Gemeinwohlbelang ein Tätigwerden der Gemeinde bzw. die Beteiligung einer
Gemeinde an einem Unternehmen rechtfertigen, weil hierdurch die begrenzende
Wirkung des Tatbestandsmerkmals „öffentlicher Zweck“ ausgehebelt
werden würde. vgl. etwa Ehlers, DVBl. 1998, S. 499 Gemeinsam ist den in der Literatur
vertretenen Ansichten und der in der Rechtsprechung verwendeten Definition
jedoch der Örtlichkeitsbezug, wie er in Art. 28 vgl. BVerfGE 79, 127 (151); BVerwGE 92, 56 (62); An diesem Punkt ergeben sich
Zweifel, ob das Unternehmen „rhexx“ einen öffentlichen Zweck
verfolgt, der sich noch auf die örtlichen Angelegenheiten der Stadt
Wermelskirchen zurückführen lässt und nicht nur der Gewinnerwirtschaftung zu
dienen bestimmt ist. Zum einen beschränkt sich der
Gasvertrieb im Unternehmen „rhexx“ nicht auf die Gemeindegebiete
der an dem Unternehmen beteiligten Kommunen, zum anderen steht beim Unternehmen
„rhexx“ nicht die Gasversorgung als solche im Vordergrund, sondern
eine Verschlankung und Effektuierung des bundesweiten Gasvertriebes, um den
Gewinn des Gasgeschäftes zu steigern. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz
hat in einem Urteil vom 21.03.2006 (DÖV 2006, 611) darauf abgehoben, ob
wirtschaftliche Notwendigkeiten eine über den örtlichen Wirkungskreis
hinausgehende Betätigung erfordern, um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle
Größe zu erlangen. Ob eine bundesweite Betätigung auf dem Gasversorgungsmarkt
zur Erlangung einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Größe erforderlich ist,
erscheint sehr zweifelhaft. In der Literatur ist stark
umstritten, ob mangelnde Auslastung bzw. ein defizitäres Geschäft eine
gewinnorientierte Betätigung der Gemeinde rechtfertigen kann. Soweit ersichtlich,
wird dies in der Literatur überwiegend abgelehnt. vgl. etwa Schink, NVwZ 2002, 129 (134) Zudem wird teilweise die Auffassung
vertreten, dass eine Gemeinde zunächst Kapazitäten abzubauen habe, wenn ein
kommunales Unternehmen nicht voll ausgelastet ist oder defizitär betrieben
wird. Hösch, DÖV 2000, 393 (401) Andererseits ist zu berücksichtigen,
dass § 107 Abs. 3 GO NRW ausdrücklich auch die wirtschaftliche
Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes gestattet. Auch Art. 28
Abs. 2 GG dürfte dem nicht entgegenstehen. so etwa Jarass, DÖV 2002, 489 (498 f.); Gern, NJW 2002, 2593
(2595) Ob dies jedoch gleichzeitig
bedeutet, dass der mit der wirtschaftlichen Betätigung verfolgte öffentliche
Zweck keinerlei Bezug mehr zu der örtlichen Gemeinschaft aufweisen muss,
erscheint fraglich. Es wird auch darauf hingewiesen,
dass es auf eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles ankomme. Insgesamt müsse eine
Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles ergeben, dass die
Gewinnerzielungsabsicht deutlich hinter die mit dem Unternehmen verfolgten und
in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelten öffentlichen Zwecke zurücktritt. Held, in: Held u.a. (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht
Nordrhein-Westfalen, Loseblatt-Kommentar b) Die Beurteilung der Frage, ob die
wirtschaftliche Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis
zur Leistungsfähigkeit der Stadt Wermelskirchen steht, dürfte geringere
Schwierigkeiten bereiten. Hinter diesem Tatbestandsmerkmal steht der Gedanke,
dass Kommunen vor finanziellen Risiken, die in einer wirtschaftlichen
Betätigung liegen, geschützt werden sollen. Der bundesweite Gasvertrieb steht
sicherlich nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der
Stadt Wermelskirchen. Andererseits ist das finanzielle Risiko für die Stadt
durch die Kapitaleinlage und die Beteiligung als Kommanditistin begrenzt.
Grundsätzlich wird den Gemeinden im Rahmen dieses Tatbestandmerkmales ein Beurteilungsspielraum
zugestanden. vgl. etwa Ganske, Corporate Governance im öffentlichen
Unternehmen, Frankfurt a.M. 2005, S. 99 Tendenziell dürften hier somit keine
größeren rechtlichen Probleme liegen. 3. Schließlich kommt in Betracht, dass sich
aus Art. 28 Abs. 2 GG und § 107 vgl. OVG Münster 01.03.2008 - 15 B 122/08 - mit weiteren
Nachweisen und Gern, NJW 2002, 2593 (2594 ff.) Wie oben bereits angedeutet, scheidet
in diesem Zusammenhang als Rechtfertigungsgrund die reine Gewinnerwirtschaftung
aus.“ Fazit: Es gibt erhebliche rechtliche Bedenken aus den
vorstehenden Gründen gegen die geplante Beteiligung der BEW an der
Vertriebsgesellschaft „rhexx“. Gegen
die Zulässigkeit der Beteiligung der BEW an einer überregionalen Vertriebsgesellschaft
für Gas spricht weiterhin die Tatsache, dass ein vom Ministerium für
Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen in Auftrag
gegebenes Gutachten zu dem Schluss kommt, die rechtlichen Rahmenbedingungen
müssten geändert werden, um genau dieses zu ermöglichen. Aus
alledem folgt, dass eine Beteiligung der BEW an der Gasvertriebsgesellschaft
„rhexx“ nach den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen
rechtlich nicht zulässig ist. Aus den
vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Beschluss des Rates der Stadt
vom 12.04.2010 zu Tagesordnungspunkt 3 „Beteiligung der BEW
(Bergische Energie- und Wasser-GmbH“ das geltende Recht verletzt. Entsprechend
der Vorschrift des § 54 Abs. 2 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen hatte der Bürgermeister
diesen Beschluss daher zu beanstanden, was mit Schreiben vom 14.04.2010 an die
Mitglieder des Rates der Stadt geschehen ist. Die
Beanstandung hat entsprechend § 54 Abs. 2 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen
aufschiebende Wirkung. Über diesen Beschluss ist in der nächsten Sitzung des Rates
der Stadt auf der Basis der Beanstandung und der dieser zugrunde liegenden
schriftlichen Begründung erneut zu beraten. Bleibt der Rat der Stadt bei seinem
Beschluss, so hat der Bürgermeister unverzüglich die Entscheidung der
Aufsichtsbehörde einzuholen. Die aufschiebende Wirkung bleibt bestehen (§ 54
Abs. 2 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen). Zunächst
ist also eine erneute Beratung dieser Angelegenheit durch den Rat der Stadt
erforderlich. Dem Rat der Stadt wird unter Berücksichtigung der
vorstehenden Ausführungen empfohlen, seinen vom Bürgermeister beanstandeten
Beschluss vom 12.04.2010 zu Tagesordnungspunkt 3 „Beteiligung der
BEW (Bergische Energie- und Wasser-GmbH“ aufzuheben. Für diesen Fall schlägt der Bürgermeister dem Rat der Stadt
als Beschlussvorschlag erneut die Beschlussvorlage RAT/1865/2010 zur
Entscheidung vor. Anlage/n:
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